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aber nad) einigen Stunden vom Galgen abgeſchnitten und von
einem großen Konduft fremder Soldaten feierlich beerdigt;
„enn“ — jagt das Tagebuch — „bei dieſen Leuten gilt ſtehlen
für kein Verbrechen.“
Hätten die Spanier feinen weiteren Unfug begangen, als
die gründliche Zerſtörung der Wildbahnen des württem-
berger Herzogs Ulrich, ſo würde das Landvolk ihr Andenken
eher geſegnet al3 verflucht haben. Faft täglich kamen damals
ganze Wagenladungen mit Wild aus dem Württembergiſchen
in Augsburg an, als Gaben der dort kantonirten ſpaniſchen
Truppen an ihre Landsleute in der Reichsſtadt. Ein einziger
Gerber foll na<h dem Tagebuch im Laufe des Frühjahrs und
Sommers nicht weniger als 900 Hirſchhäute verarbeitet haben.
Der Zuſatz enthielt eine traurige Wahrheit: „So haben die
armen Deutſchen ſoviel Sorgfalt auf die Wildbahnen verwandt
zu großem Schaden des Landmanns und zum Geſpötte der
Spanier und der kaiſerlichen Hofſchranzen.“ Herzog Ulrich
hat unter den damaligen deutſchen Fürſten bekanntlich den Preis
als Nimrod davongetragen, obwohl nur wenige von dem Jagd-
teufel ganz frei waren, zu welchen wenigen auch unſer Graf
gehörte. Selbſt der fromme Kurfürſt Johann Friedrich iſ auch
hierin nicht ganz vorwurfsfrei. Es wurde als ein Zeichen
Gottes angeſehen, daß ihn fein Unglück gerade in der Mitte
ſeiner größten Wildbahnen, in der Lochauer Heide bei Mühlberg
getroffen habe, wo er ſo oft zu größtem Verdruß und Schaden
ſeiner Unterthanen dieſer noblen Paſſion gefröhnt hatte.
Das Gebet Wolrads: „Herr, befreie uns von dieſem un-
ſeligen Volke!“ iſt damals in fräftigen Variationen täglich und.
ſtündlich von Hunderttauſenden zum Himmel emporgeſtiegen. Auch
er hat es ganz ſo empfunden wie der einfache Sinn des Volkes,
wenn er ſein liebes Vaterland als ein von Feinden erobertes
und verwüſtetes beklagt. Alle Schönfärberei damaliger und
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