Full text: Aus einem Tagebuche des sechzehnten Jahrhunderts

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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Befreiung lebte und auch ſtarb. Denn ihr Tod, der ſhon im 
nächſten Jahre erfolgte, hatte keine andere Urſache, als die 
übermäßigen körperlichen Anſtrengungen und die Seelenleiden, 
die mit ihrer troftlofen Aufgabe unzertrenulich verbunden waren. 
Wo fie auch Hinblidte und die Hand nach Hülfe augftredte, 
fand fie feindliche oder kalte Geſichter und Herzen. Jhr 
eigener Schwiegerſohn Moriß von Sachſen that wohl ungefähr 
ſo viel, als er Schande halber nicht laſſen durfte, aber das 
war ſehr wenig und fruchtete gar nihts. Ihr Gemahl quälte 
ſie nah ſeiner ſelbſtſüchtigen Art mit fortwährendem Drängen 
um Hülfe. Er ſtellte ſi< womögli<h no< unglü>licher über 
ſein Leiden, als es ihm zu Muthe war, oder als er das Recht 
Hatte zu jein, nur um nach der Weiſe folcher Charaktere den 
andern zu verzweifelter Ueberfpannung feiner Kräfte zu treiben. 
Man Fan fich denken, was fie bei den Berichten von den groben 
und höhnijchen Ungebührfichfeiten feiner ipanifchen Wache, denen 
er Tag und Nacht ausgejebt war, empfand, oder als fich das 
Gerücht verbreitete, er ſei aus Verzweiflung über feine Leiden 
in Wahnſinn verfallen. 
Noch war das Gemüth des deutſchen proteſtantiſchen Volkes 
zu ſehr erfüllt von der befreienden und erhebenden Macht der 
neuen Lehre; es fühlte noch zu ſehr die Innerlichfeit des Evan- 
geliums in ihrer ganzen Kraft, als daß auf tem Wege, den 
der Kaiſer hier in Augsburg einſchlug, viele Profelyten für 
die alte Kirche gewonnen worden wären. Es bedurfte erſt 
einer beträchtlichen Herabftimmung der öffentlichen Geiſter, bis 
die äußeren Formen des katholiſchen Kultus wieder anders als 
fremdartig und abſtoßend zu wirken vermochten. Dreißig Jahre 
ſpäter war das deutſche Volk ſo weit gelangt, und die natürliche 
Reaktion gegen jene doktrinär idealiſtiſchen Tendenzen des 
eigentlichen Reformationszeitalters machte ihr Recht geltend. 
Jeſuiten und Kapuziner haben dann nicht ermangelt, den ihnen 
(640) 
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
   
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
     
       
 
	        
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