20 Zweites Kapitel.
wollen wir beispielsweise die Anordnung der Kraftlinien in einem
Einheitsfelde betrachten. Nach der Theorie kommt in einem solchen
Felde nur eine Kraftlinie auf jedes Quadratcentimeter, und jede der-
selben übt die Einheit der mechanischen Kraft auf den in ihr be-
findlichen Einheitspol aus. Es giebt jedoch innerhalb des von einer
Kraftlinie durchsetzten Quadratcentimeters eine unendliche Zahl von
Punkten, in welchen auf den Einheitspol die Einheit der mechani- 0
schen Kraft ausgeübt wird. Um dies zu erklären, müssten wir an- f
nehmen, dass jede Kraftlinien freilich auf ihr Quadratcentimeter be-
schränkt, aber innerhalb desselben frei beweglich ist, so dass sie
dem Einheitspol folgen und überall auf ihn wirken kann. Diese ge-
künstelte Anschauung würde die Eigenschaften des Feldes erklären,
wenn dies nur mit einem Einheitspol untersucht wird. Dagegen
kommen wir wieder in Verlegenheit, wenn wir das Feld mit zwei
Polen, deren Entfernung weniger als ein Centimeter beträgt, unter-
suchen wollten. Denn auf beide Pole wirkt das Feld in gleicher
Weise, während höchstens einer auf einer Kraftlinie liegen könnte.
Aus diesem Grunde ist die Vorstellung, die den Kraftlinien eine
physikalische Existenz zuschreibt und sie wie elastische Fäden an
einen Magnetpol angreifen lässt, unhaltbar.
Besser, wenn auch keineswegs vollständig, würden wir zum
Ziele kommen, wenn wir uns das magnetische Feld als eine bewegte
Flüssigkeit vorstellen. Den Magnet müssen wir uns alsdann als eine
Röhre denken, in deren Mittelpunkt eine Schnecke als Pumpe wirkt;
die ganze Röhre soll in Wasser liegen. Wird die Pumpe in Be- li
wegung gesetzt, so tritt das Wasser an dem einen Ende der Röhre B
heraus, fliesst in gekrümmten Stromlinien und mit wechselnder Ge-
schwindigkeit um die Röhre herum und tritt an dem andern Ende
wieder ein. Den Einheitspol können wir durch eine Scheibe er-
setzen, welche die Einheitsfläche darstellt, und damit die Stärke der
Strömung an jeder Stelle messen. Dieser Vergleich ist nur insofern
unvollkommen, als sich die vom strömenden Wasser ausgeübte
Kraft nicht mit der ersten, sondern mit der zweiten Potenz der
Geschwindigkeit ändert. Sehen wir indessen von diesem Unter-
schiede ab, so kann ein solches Modell näherungsweise das magne-
tische Feld darstellen. Die Kraftlinien bilden alsdann nicht feste
Linien von bestimmter Zahl, welche die beiden Pole des Magnetes
umgeben, sondern Stromlinien eines gewissen magnetischen Fluidums,
In der Nähe der Magnetpole ist das Strombett eingeengt und daher