Einfluss der Kapaeität. 219
dass der Kondensatorstrom gegen die elektromotorische Kraft, die
ihn hervorruft, um 90° voraneilt. Wir wollen an einem Beispiel
zeigen, wie die Kapacität auf den Betrieb einer Kraftübertragungs-
anlage einwirkt. Zu diesem Zweck wählen wir eine ziemlich lange
unterirdische Leitung, die mit einer hohen Spannung betrieben wird,
weil der Einfluss der Kapaeität bei kurzen Entfernungen und mittlern
Spannungen zu wenig hervortritt. Die beiden Maschinen mögen
durch ein koncentrisches Kabel von 16 km Länge verbunden sein,
und die effektive Spannung im Kabel betrage 10000 V. An den
Anker des Motors soll eine Energie von 500 Kilowatt übertragen
werden. Der gesammte Widerstand der Leitung sei gleich 10 Ohm;
die Leiter hätten alsdann einen Querschnitt von 55 qmm. Die
Dicke der Isolation betrage 10 mm; dann wäre die Kapacität der
gesammten Leitung, die über die ganze Strecke vertheilt ist, unge-
fähr gleich 3,2 Mikrofarad. Um die genaue Vertheilung der Ladung
zu bestimmen, hätten wir eine sehr verwickelte Rechnung auszu-
führen, denn die Ladung hängt von dem Spannungsunterschied der
beiden Leiter ab, der in Folge des Leitungswiderstandes längs des
Kabels veränderlich ist. Diese Aenderungen sind jedoch im Ver-
hältnis zu dem gesammten Spannungsunterschied sehr klein, wie
sich aus folgender Betrachtung ergiebt. Die gesammte Energie, die
übertragen wird, ist 500 Kilowatt bei 10000 V. Wäre keine
Phasenverschiebung und keine Kapaeität vorhanden, so hätten wir
eine Stromstärke von 50 A, und der gesammte Spannungsverlust in
der Leitung betrüge 500 V oder 5 °%, der Gesammtspannung. Dies
trifft in Wirklichkeit nicht zu; vielmehr haben wir eine gewisse
Phasenverschiebung und eine gewisse Kapacität anzunehmen, der zu
Folge der Strom, der vom Generator in die Leitung geschickt wird,
grösser als 50 A ist, und zwar um einen Betrag, den wir annähernd
in folgender Weise abschätzen können. Ist nämlich die Frequenz
gleich 50, so folgt aus Formel (57), dass ein Kondensator von
3,2 Mikrofarad Kapaeität bei einer Spannung von 10000 V zu
seiner Ladung einen Strom von 10 A bedarf. Ein so schwacher
Strom, der in der Phase gegen den Arbeitsstrom um ein Viertel der
Periode verschoben ist, übt auf die gesammte Stromstärke keinen
grossen Einfluss aus. Ebenso kommt die Selbstinduktion nicht sehr
in Frage, wie aus den oben mitgetheilten Gründen hervorgeht.
Jedenfalls kommen wir der Wahrheit sehr nahe, wenn wir an-
nehmen, dass die gesammte Stromstärke des Kabels nicht mehr als