Günstigste Betriebsbedingungen. 293
Dem Gesetze liegt auch die Annahme zu Grunde, dass die Energie
längs der gesammten Leitung den gleichen Geldwerth hat. Dies
trifft natürlich nicht zu. Denn hätte die Energie an der Erzeugungs-
und an der Empfangsstation den gleichen Werth, so wäre überhaupt
keine Kraftübertragung nöthig. Eine weitere unrichtige Annahme,
die dem Gesetze zu Grunde liegt, besteht darin, dass der Geldwerth
der elektrischen Energie unabhängig von der Spannung ist, mit der
der Strom geliefert wird. Dynamomaschinen für sehr hohe Span-
nung sind nämlich sowohl in der Anschaffung wie in der Unter-
haltung theurer als solche für niedrige Spannung. Man muss daher
bei Aufstellung der Bedingungen die Betriebsspannung berücksich-
tigen, für welche die Leitung am billigsten wird. Wir haben ferner
nicht nur die Verzinsung und Amortisation der Leitung in Rechnung
zu setzen, sondern haben auch entsprechende Summen für die
Maschinen an beiden Enden einzuführen. Das ganze Problem ist,
wie aus allem hervorgeht, sehr verwickelt und erfordert nicht nur
die Berücksichtigung der Leitung, sondern die der ganzen Anlage.
Um die Betrachtungen möglichst zu vereinfachen, nehmen wir
an, die Energie werde mittels Gleichstroms übertragen. Die Be-
dingungen für Wechsel- und Mehrphasenströme ergeben sich dann
leicht, wenn man die Beziehungen aufstellt, welche zwischen dem
Kupfergewicht bei Gleichstrom und bei andern elektrischen Energie-
vertheilungssystemen bestehen.
In der Praxis pflegt die Aufgabe gewöhnlich an folgende Be-
dingungen geknüpft zu sein. Die maximale Spannung an den
Klemmen des Generators ist entweder gegeben oder kann unter
Berücksichtigung konstruktiver Gründe und der örtlichen Verhältnisse
gewählt werden. Die Wirthschaftlichkeit der Anlage hängt gewöhn-
lich sehr von der Spannung ab; man sollte daher eine Reihe von
Entwürfen für verschiedene Spannungen anfertigen und unter ihnen
den geeignetsten auswählen. Die jährlichen Kosten einer gebremsten
Pferdekraft an der Erzeugungsstation sind bekannt, ebenso die An-
zahl der zu übertragenden Pferdekräfte, die Entfernung zwischen
den beiden Stationen, sowie die Kosten der Maschinen und Regulir-
vorrichtungen, die für jede Pferdekraft aufzuwenden sind. Hat man
sich darüber entschieden, wie die Leitungen zu führen sind, so
kennt man auch die Kosten der Träger für jedes Kilometer und
diejenigen der Leiter selbst für jede Tonne Kupfer. Zu berechnen
ist der Leiterquerschnitt, der Arbeitsstrom, die an der Primärstation