20 Erstes Kapitel.
versehen, an dem andern Ende mit genau derselben Quantität mag-
netischer Masse des entgegengesetzten Zeichens. Diese magnetischen
Massen sind eine der Materie inhärente Eigenschaft, wie die Schwere
oder die chemischen und thermischen Eigenschaften, und können
weder kleiner noch grösser werden. In einem unmagnetischen Stahl-
stabe bilden die Molekularmagnete entweder in sich geschlossene
oder getrennte Ketten, deren magnetische Achsen nach allen mög-
lichen Richtungen laufen; sie üben deshalb keine magnetische Fern-
wirkung aus, wie es bei unserer Kette von Eisenfeilspähnen der Fall
war, nachdem wir die einzelnen Glieder gedreht hatten. Aber wenn
es durch irgend ein Mittel möglich ist, alle Moleküle so zu drehen,
dass sie nach einer Richtung zeigen, ohne sie dabei zu verschieben,
so erhalten wir eine Anzahl paralleler magnetischer Ketten, die nur
an ihren Enden freien Magnetismus aufweisen und eine magnetische
Anziehung und Abstossung in die Ferne ausüben können, d. h. unser
Stahlstab wird ein Magnet.
Wir sehen, dass nach dieser Theorie die Moleküle, welche einen
Stab von magnetisirbarem Stahl zusammensetzen, um ihre Mittel-
punkte drehbar sein müssen, und je leichter und vollständiger sie
sich drehen lassen, um so schneller steigt die Magnetisirung an. Da
wir nicht jedes Molekül anfassen und mechanisch drehen können,
so schicken wir Kraftlinien durch den Stab, um diese Arbeit auszu-
führen, wie wir es bei der Kette der Eisenfeilspähne machten. Dieses
geschieht entweder mit Hülfe eines andern Magnets oder mittelst
des elektrischen Stromes. Die Anordnung der Moleküle in voll-
ständigen Ketten wird desto vollkommener sein, je geringer der
Widerstand oder die innere Reibung ist, welche sich der Drehung
entgegenstellen, und je kräftiger die Kraftlinien sind, welche durch
den Stahlstab hindurchgehen. In sehr weichem Stahl oder weichem
Eisen drehen sich die Moleküle frei, und hier können sie vollständig
in stetige Ketten gebracht werden; aber je härter der Stahl ist, um
so kleiner ist der Winkel, um den jedes Molekül gedreht werden
kann, und eine um so grössere magnetisirende Kraft ist hierzu er-
forderlich. In solchen Fällen sind die magnetischen Ketten mehr
oder weniger unterbrochen, und der nach aussen hin wirkende Mag-
netismus ist schwächer. Anderseits werden die einmal in die Lage
der magnetischen Kontinuität gedrehten Moleküle nicht leicht wieder
gestört; je härter der Stahl ist, um so permanenter ist also sein
Magnetismus. In weichem Eisen werden die Moleküle ihren mag-