92 Ströme in nicht prismatischen Leitern. Kap. VII.
die Stromdichte am grössten ist und mit der Entfernung von diesen
Punkten immer mehr abnimmt. Denn durch die Punkte A und B
strömt die ganze Elektrizitätsmenge, welche durch den Leiter über-
haupt hindurchgeführt wird, während sie sich an allen anderen Punkten
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Fig. 40.
über einen grösseren Raum verteilt. Auch geschieht diese Verteilung
nicht gleichmässig, da die Stromfäden an Stärke abnehmen, je mehr
sie von der A und B verbindenden geraden Linie abweichen. Je näher
die Punkte A und B einander liegen, desto schneller nehmen die
Ströme, welche sich nicht direkt durch die gerade Verbindungslinie AB
ergiessen, an Stärke ab, um so schneller vermindert sich daher auch
die Stromdichte mit der Entfernung von den Punkten A und B. Es
ist daher leicht einzusehen, dass diejenigen Wirkungen des elektrischen
Stromes, welche von der Stromdichte abhängen, schon in einiger Ent-
fernung von den Punkten A und B ganz unmerklich werden können.
Diese Gesetze der Stromverteilung in unregelmässigen Leitern finden eine
wichtige Anwendung in der Elektrotherapie. Setzt man die Pole einer Kette an
zwei beliebige Punkte des menschlichen Körpers, so wird von diesen aus der Strom
sich durch den ganzen Körper verbreiten in einer Unzahl von mehr oder weniger
gekrümmten Stromfäden, welche alle in den Ansatzpunkten zusammenlaufen. Aus
dem Vorhergehenden ist klar, dass die Wirkung dieser Ströme an den Ansatzpunkten
selbst am mächtigsten, demnächst am stärksten auf der Verbindungslinie zwischen
beiden sein, mit der Entfernung von diesen Punkten aber schnell abnehmen muss.
Aus diesem Grunde ist es möglich, dass der Strom an den Ansatzpunkten starke
Wirkungen ausübt, während er schon in geringer Entfernung ganz unmörklich wird.
Je näher die Ansatzpunkte, desto leichter wird eine solche Lokalisation der
Wirkung sein. Duchenne war es, der zuerst praktische Anwendung hiervon
machte und lehrte, wie man einzelne Muskeln, ja Teile von Muskeln isolirt reizen
könne. Liegen auf dem Wege der Stromeskurven Gebilde, welche sich durch eine
grössere Empfindlichkeit gegen den elektrischen Strom auszeichnen, als ihre Um-
gebung hat, so können an diesen Punkten aber selbst in grösserer Entfernung von