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Der konstante Strom b. Gehirn- u. Rückenmarkskrankheiten.
Kap. XX.
Gegenteil scheint es geboten, diese Erscheinungen als meist sehr un-
liebsame Nebenerfolge sogenannter zentraler Behandlung durch vor-
sichtige Wahl der Stromstärke und zweckentsprechende Vorrichtungen
beim Beginn und Schluss therapeutischer Massnahmen eher zu ver-
meiden. In welcher Weise hierbei die katalytischen Wirkungen des
Stromes in Wirksamkeit treten, ob die elektrolytischen oder die ka-
taphorischen Eigenschaften dabei überhaupt eine Rolle spielen, oder
ob die direkten oder indirekten Wirkungen auf die Blutgefässe hierbei
das Wesentliche sind, ist exakt in keiner Weise bisher nachgewiesen;
das Bestreben, die beobachteten Erscheinungen zu erklären, hat nicht
wenige Therapeuten verführt, Hypothetisches für sicher Erwiesenes
auszugeben. Wir kommen bei der Besprechung der speciellen Thera-
pie der Hirnkrankheiten auf diese Fragen noch einmal zurück.
Was die Galvanisation des Rückenmarks behufs Erzielung thera-
peutischer Resultate betrifft, so werden hier zunächst wieder alle jene
Ideen über die katalytischen Wirkungen des Stromes auf krankhaft
veränderte Teile zur Erklärung der in der Tat häufig zu beobachten-
den Erfolge reproduzirt. Tatsächlich steht fest, oder wird vielmehr
auf Grund experimenteller Ergebnisse von einzelnen Autoren behauptet,
dass sogenannte absteigende Rückenmarksströme die Erregbarkeit des
Rückenmarks herabsetzen, aufsteigende sie umgekehrt erhöhen 3°*. In
demselben Grade soll auch die Reflexerregbarkeit vermindert oder ge-
steigert werden, wie z. B. Onimus'®? und Uspensky'! bei Fröschen
und Meerschweinchen beobachtet haben. Andere wieder, so z. B.
Ranke'5, fanden, dass unabhängig von der Stromrichtung der
Stychnintetanus der Frösche durch Galvanisirung des Rückenmarks
vermindert wird. Dazu kommt, dass neuere Untersuchungen von
Löwenfeld, wie schon oben S. 331 auseinandergesetzt ist, ergeben
haben, wie man durch Applikation der Pole an den Cervikalteil des
Rückenmarkes einen Einfluss auf die im verlängerten und obersten
Halsmark gelegenen vasomotorischen Zentren und damit auf die Ge-
sammtblutverteilung im Rückenmark auszuüben vermag.
Auf die katalytischen Wirkungen endlich werden alle jene Er-
folge bezogen, deren sich in nicht wenigen Fällen der konstante Strom
bei der Behandlung von Drüsentumoren, Strumen, sogenannten rheu-
matischen Erkrankungen von Muskeln und Gelenken, von traumatischen
und arthritischen Gelenkentzündungen zu erfreuen hat. Neben der
schmerzstillenden Wirkung des positiven Poles sind es ferner bei den
auf Neuritis zurückzuführenden neuralgischen Zuständen in einzelnen
Nervengebieten wieder jene katalytischen Wirkungen, die etwaige ent-