Kapitel XXL.
Die Gesetze des Wechselstromes.
Bei Wechselströmen erfolgen schnelle Umkehrungen des Stromes,
die Ströme steigen und fallen nach Art von Wellen. Die Elek-
trieität schwingt in der Leitung in der That mit grosser Geschwindig-
keit vorwärts und rückwärts, und zwar unter dem Einfluss einer
sich in schnellem Wechsel umkehrenden elektromotorischen Kraft.
Derartige Ströme sind als Wechselströme, oscillirende, periodische,
undulirende und harmonische Ströme bezeichnet worden; der Ver-
fasser würde die Bezeichnung Wellenströme als zweckmässiger vor-
ziehen. Die Wechselströme unterscheiden sich in ihren Eigenschaften
etwas von den gleichgerichteten Strömen. Sie werden nicht nur
von dem Widerstande des Stromkreises, sondern auch von einer
magnetischen Gegenwirkung, gewöhnlich Selbstinduction oder In-
ductanz genannt, beeinflusst. Letztere hat einen hindernden Ein-
fluss auf den Wechselstrom, vermindert die Amplitude der Wellen,
verzögert ihre Phase und verflacht ‚sie im Allgemeinen. W echsel-
ströme werden auch von der Capaecität oder Condensatorwirkung
des Stromkreises beeinflusst. Ein Condensator in einem elektrischen
Stromkreis unterbricht gleichgerichtete Ströme vollständig; Wechsel-
ströme können ein- und austreten, als wenn der Condensator sie
durchgehen liesse. Wegen dieser Eigenthümlichkeiten müssen einige
Vorbemerkungen über Wechselströme gemacht werden.
Wenn eine Wickelung von passender Form sich wie in Fig. 350
zwischen den Polen eines Magnets um ihre Längsachse dreht,
werden in ihr Wechselströme erregt, welche nach jeder halben
Umdrehung Null werden und dann sich umkehren. In der Figur
ist die Drahtwickelung so angenommen, dass der obere Theil sich
nach dem Beschauer zu bewegt. In diesem Falle zeigen die Pfeile
die Richtung der inducirten Ströme an, welche dem äusseren
Stromkreis mittels zweier Contact- oder Schleifringe zugeführt