Full text: Die städtischen Strassen (Band 1, 1. Heft)

   
Erfreulicherweise haben die Bestrebungen auf Schaffung billiger Wohnungen 
und Ermöglichung der Erwerbung eines eigenen Heims auch für die ärmere Be- 
völkerung in Deutschland immer weitere Ausdehnung erfahren, indem man von der 
richtigen Erkenntnis ausging, daß gerade hierdurch die sozialen Schäden unserer 
heutigen Zeit am sichersten geheilt werden können, wahrscheinlich nachhaltiger und 
besser als durch eine übergroße Zahl von Kirchenbauten*). 
Ein weiteres, äußerst wichtiges Mittel zur Schaffung guter hygienischer Zu- 
stände liegt in der Einrichtung freier Plätze im Straßennetze der Stadt. Die | 
öffentlichen Plätze einer Stadt haben, sofern sie nicht — besonders an Kreuzungen 
lebhafter Straßen — zu Zwecken des Verkehres, Aufstellung von Fuhrwerken, Ab- 
haltung von Märkten u. dergl. nötig sind, oder ar sie nicht lediglich zu Werken 
der Architektur und der Kaldeuianst in Beziehung stehen (siehe unten S. 51), zu 
als Erholungsstätten für den Sadibemwohner dienen, der nicht die nötige 
Muße gewinnen kann, oft weit von der Stadt Erholung im Freien zu suchen. Solche 
öffentliche Plätze müssen vor allem auch Gelegenheit bieten, von den Kindern als 
Aufenthaltsort und Tummelplatz benutzt werden zu können, damit den schädlichen 
Einflüssen des Stadtlebens, welche durch das gedrängte Zusammenleben so vieler 
Tausender in gesundheitlicher Beziehung entstehen, nach Möglichkeit entgegen gewirkt 
werde. Deshalb sind für die Anlage dieser Erholungsplätze im wesentlichen 
folgende Hauptforderungen zu stellen: 
1. Die Plätze sollen möglichst zahlreich und möglichst gleichmäßig über das 
Stadtgebiet verteilt sein, damit sie von allen Punkten des Bebauungsgebietes aus 
leicht erreichbar sind; die Größe der einzelnen Plätze kann dabei beschränkter 
gehalten werden. 
2. Die Plätze sollen möglichst so angeordnet sein, daß sie abseits vom Durch- 
gangsverkehr gelegen sind, daß vor allem Hauptverkehrslinien den Platz nicht 
durchschneiden oder umkreisen, 
3. Die Plätze müssen gärtnerischen Schmuck erhalten, insbesondere mit Baum- 
anpflanzungen versehen sein. Hierdurch tritt nicht nur eine wesentliche Verschöne- 
rung dieser Platzanlagen ein, sondern es werden auch zugleich außerordentliche 
hygienische Vorteile erreicht, welche vorzugsweise in der Schaffung von Schatten 
und in der durch die Pflanzungen bewirkten Luftverbesserung bestehen. Je besser 
die gärtnerische Ausstattung der Erholungsplätze gelungen ist, desto eher werden 
sie dem Städter für den Mangel an freier Natur, der mit dem städtischen Leben 
in den meisten Fällen nun einmal leider verbunden ist, wenigstens einigermaßen 
Ersatz bieten. 
Endlich ist, wie oben schon gesagt wurde, auch die Richtung der Straßen 
von großer hygienischer Bedeutung, und zwar in doppelter Hinsicht. Einmal soll 
man, soweit irgend angängig, lange gerade Straßenstrecken in der Richtung der 
vorherrschenden Winde vermeiden, um Staubaufwirbelungen in den Straßen zu 
beschränken, und sodann soll die Lage der Straßen sich möglichst der Richtung 
Südwest-Nordost oder Südost-Nordwest nähern, weil bei dieser Richtung sowohl 
die Vorderseite, als auch die Hinterseite sämtlicher Häuser eine gewisse Zeitlang 
am Tage von der Sonne beschienen wird. Beide Forderungen könnten sich, wie 
z. B. in engeren Thälern, in denen die Hauptwindrichtung ale mit der Sadwäct- 
Nordost- oder Nordisk: Südost-Richtung zusammenfällt, geradezu widersprechen. 
Jedenfalls werden beide zugleich oft Sich leicht zu erfüllen sein. Immerhin 
*) Siehe hierzu die sehr beachtenswerten Ausführungen „Kirchenbauten oder Familien- 
häuser“ in: Deutsche Bauz. 1896, S. 374, welche auch ‘in die politische Tagespresse über- 
gegangen sind. 
   
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
   
   
   
   
  
      
  
    
   
   
    
  
  
  
  
   
   
    
   
    
    
     
     
    
  
  
  
  
  
	        
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