Full text: Die städtischen Strassen (Band 1, 1. Heft)

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wichtiges unterscheidliches Merkmal, so daß sie auch der minder Ortskundige neben 
anderen gleichlaufenden Straßenzügen leicht wiederzuerkennen vermag. 
Beispielsweise mag angeführt sein, daß die projektierten Straßen in der Um- 
gebung des neuerbauten Paul Riebeck-Stiftes zu Halle a. S. zum Teil solche Rich- 
tungen erhalten sollen, welche besonders malerisch wirkende Aussichten auf das 
prächtige, in verschiedene Gruppen sehr wirkungsvoll gegliederte, mit Türmen, hohen 
Giebeln und Erkern ausgestattete Gebäude genießen lassen (Fig. 24). 
Eine weitere Möglichkeit, die Straßen zu verschönern, besteht darin, daß man 
in der Breitenabmessung der einzelnen Straßenstrecken und in ihrer Profil- 
ausgestaltung eine möglichst große Abwechselung obwalten läßt. 
Ein vorzügliches Beispiel für eine solche glücklich gelöste Anordnung bietet die 
bekannte, von Stübben angelegte prächtige Ringstraße zu Köln, welche bei einer 
Länge von 5,95 km 8 Knickpunkte aufweist und 11 verschiedene Querprofile ent- 
hält*). Man muß mit einem Worte die einzelnen Straßen individualisieren, 
nicht schematisieren**). Diese Forderung bildet eine der Hauptgrund- 
lagen für die ästhetische Durchbildung eines Stadtplanes. Nichts wirkt 
ermüdender und langweiliger, als wenn die meisten Straßen einer Stadt selbst für 
den länger Weilenden nur an den auf den Ecken angebrachten Straßenschildern zu 
erkennen sind. 
Auf einen weiteren Punkt mag hier noch ganz besonders hingewiesen werden, 
nämlich auf die Ausgestaltung des Nivellements. Auch beim Nivellement 
gilt der oben ausgesprochene Grundsatz von der Schönheit der konkaven, 
der Häßlichkeit der konvexen und der Starrheit der geraden Linien. 
Steigt eine Straßenstrecke stets in gerader Linie an, so wird dies einen steifen, 
langweiligen Eindruck machen. Ist das Nivellement so angeordnet, daß gar eine 
konvexe Linie vorhanden ist, d. h. daß die Straßenstrecke einen erhöhten Buckel 
aufweist, so ist die Straßenstrecke geradezu häßlich zu nennen. Für den auf der 
Straße Wandelnden treten bei einer derartigen konvexen Nivellementsanlage alle 
Gegenstände und Personen erst allmählich, und zwar zuerst mit ihrem oberen Teile, 
in die Erscheinung: von den Personen, welche über den Buckel hinwegschreiten, 
sieht man zuerst den Kopf, dann den Rumpf und endlich die Beine; die Bäume, 
Laternen und Häuser sind scheinbar in die Erde versunken und tauchen erst nach 
und nach bei weiterem Fortschreiten des Beschauers aus dem Erdboden hervor. 
Dies ist über die Maßen unschön! Wie anders dagegen erscheint uns eine Straße 
mit einem nach innen gekrümmten konkaven Nivellement. Der Beschauer über- 
sieht mit einem Blicke das Straßenbild in seiner Vollständigkeit: die Baumkronen, 
die Laternen steigen wie Guirlanden***) vor ihm auf und verjüngen sich infolge der 
perspektivischen Wirkung nach oben zu; die Häuser kommen sämtlich zur vorteil- 
haften Anschauung; das ganze Bild aber erfährt durch den stets auf einmal zu 
überschauenden Straßenverkehr eine wirksame Belebung. Die Bernburger Straße in 
Halle (Fig. 25) hat beispielsweise ein solches hohles (konkaves) Nivellement und 
gewährt infolgedessen einen sehr stattlichen Anblick. Die Krümmung des Straßen- 
nivellements ist hier eine sehr starke; es würde aber auch schon eine sehr viel 
geringere Einsenkung genügen, um das Straßennivellement als ein schönes erscheinen 
zu lassen. Eine Einsenkung von etwa 25 cm auf eine Länge von 100 m, wie bei 
der Robert-Franzstraße und bei dem Reitbahndurchbruch in Halle, in ähnlicher Weise 
*), Siehe: Stübben, J. Der Städtebau ete. S. 252. 
**) Siehe: Stübben. Der Bau der Städte in Geschichte und Gegenwart. Festrede zum 
Schinkelfest des Architekten-Vereins Berlin am 13. März 1895. 
***) Siehe: Stübben, J. Der Städtebau etc. 8. 78. 
  
  
   
  
  
  
   
     
      
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
     
    
    
  
  
  
  
  
    
     
  
   
  
  
    
	        
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