I, Abschnitt
Das Leuchtgas als Mittel zur Versorgung der Städte mit
Licht, Kraft und Wärme.
1. Kapitel.
Allgemeines.
$ 1. Existenzberechtigung.
Wenn man in jetziger Zeit über Leuchtgas für einen größeren Leserkreis
schreiben will, so muss man immer noch der falschen Meinung entgegentreten, daß
das Gas durch die Elektrizität in nicht zu ferner Zeit verdrängt oder doch wenigstens
ganz in den Hintergrund verbannt werden würde; denn diese Meinung hat unbegreif-
licherweise selbst in den Kreisen gebildeter Leute viele Anhänger gefunden, trotz-
dem von jeher gewichtige Stimmen besonnener Fachleute laut und deutlich der
Gasbeleuchtung und der Gasindustrie neben der elektrischen Beleuchtung und der
Elektrotechnik die vollste Existenzberechtigung zugesprochen und die Zukunft der
Gasindustrie als gesichert hingestellt haben. Besser als lange Auseinandersetzungen
sind einige kurze Zitate geeignet, die übertriebenen Erwartungen mancher Elektriker
und ihre leichtfertigen Angriffe auf die Gasindustrie auf der einen und das ruhige
Vertrauen von Gasfachleuten auf der anderen Seite zu kennzeichnen.
Im Jahre 1878 schrieb Th. A. Edison in der Zeitung „New York Sun“:
„Sobald die Pracht und Billigkeit meiner elektrischen Beleuchtung bekannt werden
wird, voraussichtlich in einigen Wochen, und zwar sobald ich mein Verfahren mir
habe patentieren lassen, wird die bisherige Gasbeleuchtung ihrem Ende
nahe sein.“ Das „Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung“ bemerkt
dazu: „Und dieser Humbug wird durch die Presse in kritikloser Weise
zur Beunruhigung des großen Publikums verbreitet‘ )
In einem wohlthuenden Gegensatz zu solchem Widerstreit der Meinungen stehen
die Aeußerungen eines hervorragenden Gasfachmannes, W. Oechelhäuser sen.,
und eines hervorragenden Elektrikers, W. Frischen, auf der Gasfachmänner-
Versammlung zu Leipzig am 4. Juni 1877. Ersterer schloß seinen bekannten Vor-
*) Journ. f. Gasbel. 1878, S. 648.
Niemann, Versorgg. m. Leuchtgas. 1. 1