Full text: Verbesserung der Wasserbeschaffenheit. Hebung des Wassers. Aufbewahrung des Wassers. Leitung und Verteilung des Wassers. Literaturverzeichnis (2,b)

  
  
18. Kapitel. 
Wasserreinigung auf chemischem Wege. 
$ 106. Allgemeine Gesichtspunkte. 
Die Beschaffungskosten guten Grund- oder Quellwassers sind mit der Zeit, nament- 
lich für größere Gemeinden immer mehr gestiegen und werden dies noch weiter tun. 
Dazu kommt die abnehmende Möglichkeit solche Wässer überhaupt zu finden. Nicht 
in allen Ländern ist man in der Bevorzugung von Grund- und Quellwasser so weit gegangen 
wie bei uns, wo man sich vielfach erst in der letzten Zeit — der Not gehorchend — wieder 
andern Versorgungsarten zugewandt hat. 
Ähnlich steht es mit der Trinkwasserreinigung, wo erst die letzten Jahre bei 
uns neben dem klassischen Langsamfilter und der Enteisenung andere Methoden haben 
erstehen sehen. Unter diesen besitzt das chemische Verfahren bei uns noch viele Gegner. 
Dagegen ist die Trinkwasserreinigung mittels chemischer Zusätze zum Rohwasser nament- 
lich in den Vereinigten Staaten sehr verbreitet. Dort ist der Wasserverbrauch ein weit 
höherer als bei uns und wurde bisher wohl in den meisten Fällen aus Oberflächenwässern 
gedeckt. Dabei zeigte es sich bald, daß man bei der langsamen Sandfiltration, um über- 
haupt zum Ziel zu gelangen, ganz ungeheurer Filterflächen bedurfte und daß die Betriebs- 
dauer eines Filters, namentlich bei dem oft vorkommenden tonhaltigen Rohwasser nur 
eine ganz kurze sein konnte. Man wurde also geradewegs dazu gedrängt das Rohwasser 
vor seinem Eintritt in die Filter vorzubehandeln. So entstand auch das Projekt von 
Bitter, das Wasser von Alexandria vor Beschickung der Feinsandfilter mit Kaliumper- 
manganat zu versetzen. Einen Schritt weiter gingen die Amerikaner, welche an Stelle der 
Langsamfilter die Schnellfilter einführten. 
Bei uns herrscht vielfach noch eine mehr oder minder heftige Abneigung gegen die 
Trinkwasserbehandlung mittels Chemikalien. Daß bei ihr die Suggestion und Auto- 
suggestion eine sehr große Rolle spielt, ist bekannt. Reese erzählt sehr hübsch, wie man 
der Bevölkerung in Paderborn erst drei Monate nach Inbetriebsetzung der Ozonisierungs- 
anlage mitteilte, es werde von nun ab ozonisiert werden und sofort die Leute kamen 
und klagten: ‚‚Das ist ja ein furchtbares Zeug, das ihr uns da liefert, das kann man ja 
gar nicht trinken“. Ähnlich ging es in St. Gallen bei Einführung der Wasserversorgung 
aus dem Bodensee, wo man der Einwohnerschaft vormachte, es werde den einen Tag 
Bodenseewasser, den andern Quellwasser in das Rohr geleitet werden, und nun die Leute 
im Wasser ganz deutlich einen ‚„Fischgeschmack“ an den Tagen wahrnehmen wollten, 
an welchen sie angeblich Bodenseewasser erhielten, bis sie erfuhren, daß sie schon seit 
längerer Zeit überhaupt nur noch Bodenseewasser getrunken hatten. 
Derartige Suggestionswirkungen erschweren die ruhige Entschließung und ver- 
zögern unter Umständen an sich notwendige Maßnahmen. Es ist also Pflicht der Vertreter 
der Wissenschaft, hier beruhigend und aufklärend zu wirken. Daß dies immer geschehe, 
können wir leider nicht behaupten. Wenn man lesen muß, daß wir uns bei Verwendung 
chemischer Zusätze in „sklavischer Nachahmung‘ des Auslandes bewegen, wenn die 
chemische Behandlung des Trinkwassers mit der Nahrungsmittelfälschung zusammen 
genannt wird, von „Hexenküchen“ und „Trinkwasserfabriken“ geredet wird, wenn 
von einer Seite das Boden seewasser (!), weil es Oberflächenwasser sei (!), als zum Trinken 
ungeeignet bezeichnet wurde, so kann man sich wirklich fragen, ob die wissenschaft- 
lichen Verbreiter solchen Geredes sich noch auf dem Boden vorurteilsvoller Prüfung 
 
	        
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