Full text: Die weiße Frau

  
feinen Kämpfen mit wilden Tieren des Waldes oder auf feinen Kriegs; 
fahrten fern vom Heim den Dod findet. Wenn die Leiche eines ſolchen 
Mannes, der wochenlang im Freien gelebt hat und deſſen Geſicht von 
Staub und Schweiß befehmust ift, längere Zeit liegen bleibt, fo hat fie fich 
inzwifchen fchwarz gefärbt. Eine Beobachtung, die Frontkämpfer nur allzu 
oft machen mußten! Daß früher der verſtorbene Mann vor der feierlichen 
Verbrennung den Lebenden als „Ichwarger” Toter ſichtbar wurde, dafür 
findet fich auch eine Titerarifche Beftätigung in dem Berichte des Arabers 
Ihn Fofslan, der in den Jahren 921 und 922 vom Kalifen Muktadir als 
Geſandter zu den WolgasBulgaren gefhidt war und dort Gelegenheit 
hatte, der Leichenverbrennung eines ruſſiſchen Häuptlings beizuwohnen. 
Dieſer war nach feinem Tode zunächſt in ein Grab gebracht worden. 
In der Erzählung des Arabers?® heißt es: „Als fie zu feinem Grabe kamen, 
räumten ſie die Erde von dem Holze, ſchafften dies ſelb weg und zogen 
den Toten in dem Leiichentuche, in dem er geſtorben war, heraus. Da 
fah ih, wie er von der Kälte des Landes ganz \{<warz geworden war. 
Mit ihm aber hatten ſie in ſein Grab berauſchende Getränke, Früchte und 
feine Laute getan, welches alles ſie nun auch herauszogen. Der Verſtorbene 
aber hatte fih, die Farbe ausgenommen, nicht verändert.“ 
Frauen, die im Haufe fchaffen und fogleich nach dem Tode begraben 
werden fönnen, nehmen die Totenbläffe mit ing Grab. Nur ausnahmsweife 
werden fie mit den Männern auf der Jagd oder dem Schlachtfelde den Tod 
gefunden und die dunkle Färbung angenommen haben. Der leßte Eindrud, 
den der Tote vor der Grablegung bei ſeiner Umgebung hinterläßt, iſt aber 
entſcheidend für die Vorſtellung, die man vom Ausſehen- des .Doten. hat. 
Die Weiße Frau, die in unſerer Sage immer in einem Haus, mit dem 
fie durch ihr Schaffen verbunden und innerlich über Ahnen und Nachkommen 
innig verknüpft iſt, erſcheint, iſt als Hausgeiſt damit in ihrer weißen Ge- 
wandung durchaus verſtändlich gemacht. 
Daher iſ auch das Weiß bei der Frau in Trauerkleidung, bis ins 
19, Jahrhundert hinein, nicht auffällig, während die Trauer der Männer 
offenbar — in Übereinſtimmung mit der Volksſage — immer \{<warz 
geweſen iſt, wenigſtens in Europa. Wie die nordiſche Todesgöttin Hel, 
die {warz und weiß gefärbt iſt, beide Seiten zur Schau trägt, ſo hat 
auch die Weiße Frau hie und da neben dem weißen Gewande {warze 
Attribute, 4. B. in Handſchuhen.°7) Die Weiße Frau und die Schwarze 
Frau, die fih im Schloffe zu Neuhaus gegemübertreten, find ein ſpäter 
Nachklang und eine ſeltſame Vereinigung dieſer alten Borftellungen.?®) 
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