Full text: Die weiße Frau

   
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vor Nachzehrern befangenen Menſchen trennten früher von der Leiche den 
Kopf oder andere Gliedmaßen. Albert Hellwig berichtet in ſeinem Buche 
„Verbrechen und Aberglaube. Skizzen aus der solfsfundlichen Krimi; 
naliſtik“ (Leipzig 1908) ©. 26/27 einen aftenmäßigen Fall, der im Jahre 
1900 aus dem öſtlihen Pommern bekannt wurde. Ein uneheliches, noh 
nicht ein Jahr altes Kind ſtarb, darauf die Mutter. Bald erkrankte auch 
deren Schweſter, die im ſelben Hauſe wohnte, auf den Tod. Auf An- 
raten des Großvaters des Kindes beſchloß man, das Kind unſ{ädli< 
zu machen, da man von ihm annahm, es ſei ein „Nachzehrer“, Drei 
männliche Samilienmitglieder begaben fich nachts auf den Kirchhof, gruben 
den Sarg aus, öffneten ihn und trennten mit einem Spaten den Kopf 
des Kindes von dem Rumpfe. Die dabei zutage tretende Flüſſigkeit 
wurde zum Teil aufgefangen und mitgenommen. Nach Vollendung des 
ſchaurigen Werkes wurde das Grab wiederhergeſtellt. Von dieſer etel- 
erregenden Flüſſigkeit wurde der noch immer ſ{werkranken Tante etwas 
eingeflößt. Da nun dieſe troßdem genas, waren natürlich alle davon 
überzeugt, daß das Mittel geholfen habe, und ſo fam es, daß die Sache 
ru<hbar wurde. Kaindl) berichtet aus dem Banat nach der „Schwäz 
biſchen Volkspreſſe“ in Temesvar vom 9. Februar 1923 einen abſonder- 
lichen Fall von Leichenſchändung, der fich in der Gemeinde Henteres ereignet 
hat. Dort öffnete ein Bauer deshalb, weil ihm im Traume angeblich der 
Geiſt ſeiner Mutter als Geſpenſt in weißem Leinentuche erſchienen war, 
und dieſe Erſcheinung ihn allnächtlih heimſuchte, das Grab ſeiner Mutter in 
der Nacht und zerſtach den Leichnam im Sarge mit einem Meſſer und trieb 
in deſſen Kopf einen Keil, worauf er das Grab wieder zuſchaufelte. Weil 
fid der offenbar Geiftesgeftörte im Dorfe feiner fcheußlichen Tat rühmte, 
mit dem Bemerken, daß ihn ſeine Mutter jet nicht mehr beunruhige, wurde 
er wegen Leichenſhändung verhaftet, jedoch fpäter zur Beobachtung ſeines 
Geiſteszuſtandes einer Irrenanſtalt überwieſen. Im Hunsrü> werden, 
wie in Rumänien, noch heute „dem Toten die Hände mit einem \{<malen 
Stüd Leinen gebunden“. Freilich gibt man der nicht mehr verſtandenen 
urſprünglichen Handlung einen anderen Sinn: die Hände ſollen am Körper 
liegen bleiben, denn die Särge ſind in manchem Orte recht {mal ! Noch | 
1901 ward in Lichtenhain bei Jena die Leiche eines Vagabunden, der im 
Dorfe geſtorben und ins Sprigenhaus gebracht worden war, mit Stroh- 
ſeilen feſt an Armen und Beinen verſchnürt, am Morgen aufgefunden. 
Die ermittelten Täter geſtanden freimütig, ſie hätten es getan, um „dem 
Kerl das Herumſtirolchen endgültig auszutreiben“,115) 
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