Full text: Die weiße Frau

     
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Ahnfrau, der Gräfin von Orlamünde, gleichgeſeßt. Scharfe Abgrenzungen 
laſſen ſi alſo hierbei niht gewinnen. 
Eine eigenartige Geſtaltung hat die Sage bei Gräße!), der alg Duelle 
Leopolds. Chronik von Meerane angibt, in der Sage von der Weißen 
Frau im Pfarrgarten-zu-Meerane gefunden. Sie zeigt ſhon roman- 
haftes Gepräge und ſei hier als Vermittlungsglied von den Sagen zu den 
rein literariſchen Erzeugniſſen dargeboten: 
„In alter Zeit lebte auf dem Schloſſe ¿u Meerane ein Herzog, der von 
ſeiner Gemahlin keine Kinder bekam. Daher nahmen ſie ein junges Mäd- 
hen, eine Gräfin, an Kindesſtatt an. Als dieſe 17 Jahre alt war, ſtarb des 
Herzogs Gattin. Sie ward bald vergeſſen und die junge Gräfin kurz nachher 
von dem Herzog zu ſeiner zweiten Gemahlin erwählt. Dieſe gebar ihm in 
der Folge zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Als nun erſterer 
acht, leßteres zwei Jahre alt war, da ſtarb der Herzog, und die junge Frau 
ließ fich fehr bald von ihrer böſen Luſt verleiten, die Bewerbung eines 
jungen, freilich nicht ebenbürtigen Mannes anzunehmen. Als derſelbe nun 
wieder einmal bei ihr geweſen war, ließ er beim Fortgehen die Worte fallen: 
„Wenn nur vier Augen niht wären!“ Das verblendete Weib, die un- 
natürliche Mutter, deutete dieſe Worte aber ſo, daß ihr Liebhaber ſie gern 
heiraten würde, wenn ſie nur nicht die zwei Kinder hätte. Sofort faßte 
ſie ihren Entſchluß. Sie fehicdte die Wartefrau mit den Kindern in das 
nahe bei Meerane gelegene Gottesholz, um daſelb| ſpazieren zu gehen, und 
ein von ihr gedungener Meuchelmörder, der ihnen dort auflauern mußte, 
überfiel ſie und tötete zuerſt die Kinderfrau. Als der Knabe ſelbige in ihrem 
Vlute hinſinken ſah, da verſprach er ihm, er wolle ihm fünf von ſeinen acht 
Rittergütern geben, wenn er ihn leben laſſe. Allein es half nichts, der 
Mörder ſtach ihn nieder. Das kleine Schweſterchen, das nun von ihm ge- 
pa>t ward, hielt ihm wie zur Abwehr ihre Puppe entgegen, allein er ſtieß 
es zurü> und mordete es unbarmherzig auch. Die Mutter ließ hierauf die 
drei Leichen heimlich in die Burg bringen und, nachdem fie ausgeſprengt, 
alle drei ſeien fehnell einer bösartigen, anftedenden Krankheit erlegen, in 
der Schloßficche beifegen. Ihrem Liebhaber aber ſchrieb ſie, das Hindernis 
ihres Ehebundes ſei nunmehr beſeitigt, und er ſolle nun zu ihr kommen. 
Derſelbe kam auch, allein er ſagte ihr mit trauriger Miene, er habe ſie nur 
prüfen wollen, ob die Sinnlichkeit bei ihr die Mutterliebe überſteige, nun- 
mehr könne er ſie, eine Kindermörderin, nicht ehelichen. Jett überfiel die 
unglü>liche Frau furchtbare Reue, und da fie meinte, daß ihre entfeßliche 
Schuld nur durch die fchwerfte Buße geſühnt werden könne, ließ ſie ſich ihre 
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