Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

    
   
  
   
   
  
  
   
    
   
   
    
  
   
  
   
    
  
  
  
  
   
   
  
   
   
  
     
   
   
      
   
     
    
  
     
    
    
     
   
   
    
     
      
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HEUSENSTAMM 85 
des Wassergrabens steigt in kräftigem Mauerwerk ein langgestreckter Bau empor, 
an dessen beiden Endpunkten Rundthürme vorspringen. Die unteren Abtheilungen 
der Thürme sind von Schiessscharten durchbrochen und hatten sonach wehrhafte 
Bestimmung, während die oberen Abtheilungen zu Wohnungen dienten. Die Rund- 
thürme schliessen mit kräftigen Holzgesimsen ab und sind von birnförmigen Be- 
dachungen überragt. Der zwischen den beiden 'Thürmen lagernde Hauptbau ist 
zweigeschossig und wenig gegliedert. Die lange Reihe von zweiundzwanzig Fenstern, 
die im Obergeschoss ohne alle Unterbrechung aufeinander folgen, macht einen 
monotonen Eindruck. Im Untergeschoss bietet das Portal einigermassen Ersatz 
für diesen Mangel an Gliederung. Am Schlussstein des Portalbogens sieht man 
die öfter an T'horen von Wehrbauten der Epoche wiederkehrende Relieffigur eines 
Menschenhauptes mit vorgestreckter Zunge als Symbol der Verhöhnung des heran- 
nahenden Feindes. Darüber prangt das Allianzwappen der Häuser Schönborn und 
Greifenklau. Noch höher schliesst ein Giebel in geschweiften Formen mit Mu- 
schelbekrönung das Ganze ab. An den Seiten des äusseren Portalbaues sind die Rollen 
der Zugbrücken, am Innenbau die eisernen Thürangeln des alten Schlossthores 
erhalten. 
Hindurchgeschritten gelangt man in eine Arkadengallerie, welche die ganze 
Hofseite des Erdgeschosses begrenzt und an den beiden Enden zu polygonen 
Treppenthürmen führt, die theils dem Hauptbau vorliegen, theils an zwei kleine 
Flügelgebäude sich anlehnen, welche von den Rundthürmen aus eine Verlängerung 
nach dem Schlosshof bilden. (Vergl. Abb. Nr. 25.) Dem Portalgiebel der Haupt- 
fassade entspricht auf der Hofseite ein ähnlicher Abschluss. Die Giebel der Flügel- 
gebäude sind schlichte Zuthaten aus jüngerer Zeit. Die Arkaden werden getragen 
von derben quadratischen Pfeilern und schliessen im Rundbogen. Oestlich führt 
der Arkadengang in ein ehemaliges Oratorium. Korinthisirende Säulen und an- 
dere Ueberreste eines Altaraufsatzes im Barockstyl, sowie die Stuccodekoration der 
Saaldecke mit Engelköpfen und Früchtegruppen in den Linearumrahmungen der 
Deckenfelder sind die einzigen Erinnerungen an die ehemahlige sakrale Bestimmung 
des profanirten Raumes. In einer Ecke steht die aus dem 17. Jahrhundert 
stammende holzgeschnitzte Schlagleriste eines Thores mit einem trefflichen Relief- 
band von Frauenfiguren und Vegetativornamenten. Unter den zerstreut umher- 
liegenden sonstigen Gegenständen bleibe ein aus einem grösseren und zwei klei- 
neren, durch Ketten verbundenen eisernen Ringen bestehendes Henker-Instrument 
nicht unerwähnt, welches dazu diente, den Körper der am Galgen hängenden 
Delinquenten zur Verhinderung des Leichenraubes fest zu umschliessen. Nach ver- 
lässiger Mittheilung war das hochnothpeinliche Werkzeug noch im vorigen Jahr- 
hundert im Gebrauch. 
Die von der Arkadengallerie in das Obergeschoss des Schlossbaues führende, 
mit Kreuzgewölben überdeckte Treppenanlage ist mit einer schmiedeisernen Rococo- 
thüre versehen, deren Formen künstlerisches Verständniss verrathen. In einem 
Gelass des oberen Geschosses stehen fünf FZerhgenstatuetten, gute Arbeiten des 
17. Jahrhunderts aus weissem Marmor. 
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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