Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

  
  
OÖstparthie 
Aeusseres 
KREIS OFFENBACH 
Vierung und Chor, die glanzvollsten Theile der östlichen Baugruppe, ge- 
hören zu den bedeutendsten Schöpfungen des Uebergangsstyles und stehen mit 
den berühmtesten formverwandten Architekturen Deutschlands (Kirche zu Geln- 
hausen, Einzelparthieen des Bamberger und Naumburger Domes)‘ auf gleich hoher 
Stufe, sowohl in der harmonischen Durchführung wie glanzvollen Ausstattung der 
dem romanischen Styl sich entwindenden und die Gothik vorandeutenden struktiven 
wie dekorativen Formen. ‘(Vergl. Abb. Nr. 49.) Das erneuerte Aeussere der Ost- 
gruppe zeigt zunächst eine polygone Apsis. An ihren Ecken treten gegiebelte 
Strebepfeiler vor, aus welchen Lisenen aufsteigen. Unter dem Kranzgesims wird 
die Lisenenverbindung durch Rundbogenfriese hergestellt. Die Apsis lehnt sich 
an einen Chorgzebel, welcher mit ähnlichen Frieszügen von grösseren Abmessungen 
gesäumt ist. Die unvollendeten Oszhürme füllen die Winkel zwischen Chor und 
Transept. Hinter dem Chorgiebel wächst machtvoll das Untergeschoss des Vierungs 
Yhurmes aus der Bedachung des Kreuzschiffes empor. Die Oktogonalflächen dieses 
Bautheiles sind abwechselnd von rundbogigen Lichtöffnungen durchbrochen und 
am darüber hinziehenden Sims wiederholt sich die Friesbildung des Chorhauptes. 
Die Ecklisenen streben ununterbrochen zum Kranzgesims des Obergeschosses hinan, 
welches das Gl/ockenhaus bildet. ‘Hohe, weiträumige, im Spitzbogen schliessende 
Schallöffnungen mit kräftig profilirter Laibung nehmen fast die ganze Breite der 
Oktogonalflächen ein. Jede Schallöffnung ist durch eine Säule mit Kelchkapitäl- 
krönung in zwei Hälften getheilt, die von je einem Kleeblattbogen bedeckt und 
innerhalb des Spitzbogenschlusses gemeinsam von einem Vierpass überragt sind. 
In der Formbehandlung der Schallöffnungen herrscht eine gewisse Derbheit, die 
auf den ersten Blick der Vermuthung Raum geben könnte, es liege ihr die Be- 
rechnung zu Grunde, der kräftigen Wirkung der Einzelformen in so beträchtlicher 
Höhe keinen Eintrag zu thun. Allein genauer besehen fehlt diesen Formen das 
charaktervolle Gepräge und die stylreine Sicherheit der wahren Gothik. Es ist 
darum so ganz unmöglich nicht, dass das ganze Obergeschoss des Oktogons die 
Schöpfung einer jüngeren Zeit ist, in welcher, ungeachtet der vorherrschenden 
Kunst der Renaissance, noch einmal der Versuch unternommen wurde, dem 
gothischen Bausystem zu huldigen. Für die. Annahme, wonach das Glockengeschoss 
seine Entstehung erst dem Abt Peter IV (1715 bis 1730) verdanke, liegen uns 
zur Zeit keine sicheren Nachweise vor. Thatsache ist nur, dass der Vierungsthurm 
durch diesen kunstfreundlichen Abt den jetzigen glockenförmigen Auppelabschluss 
mit der Laternenkrönung an Stelle eines früheren pyramidalen Zeltdaches erhielt. 
Auf der Spitze der Laterne liess Abt Hyacinth im Jahre 1743 die wirkungsvolle, 
kupfervergoldete Siatue des Erzengels Gabriel an Stelle einer kleineren Engel- 
figur errichten, welche dem Vierungsthurm schon früher den Namen Zingelthurm 
verschafft hatte. Die Statue ist das Werk eines Kupferschmieds von Heusen- 
stamm. Sie hat eine Höhe von 2,Io m. ° Die Entfernung von der Spitze des 
rechten Flügels bis zum ausgestreckten Zeigefinger der linken Hand beträgt 2,20 m; 
die Höhe des Doppelkreuzes in der Rechten des Engels misst 3 m. Der Thurm- 
knopf ist 1,65 m hoch. Sein Durchmesser beträgt ı m. Im Glanz der neuen 
Vergoldung leuchtet die Engelgestalt weit in’s Land hinaus, 
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