Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

  
  
  
228 KREIS OFFENBACH 
und der Renaissance fehlt, sprechen für die Wahrscheinlichkeit der Stiftung des 
Trinklöffels durch Augsburger Kaufleute, die auf ihren Wanderzügen gen Frankfurt 
und auf der Rückkehr von der dortigen Messe in Seligenstadt fröhliche Rast hielten. 
Auf der Edelmetallfläche liest man die Reime: 
Willkomm zu Seelign’ Statt der werthen Compagnie 
Hier pflegt man einzuschenken Einn guthen Trunkh spendiren 
und dabei zu gedenken 
Gleich wie sich’s will gebühren 
was Recht der Löffel hat 
Vnd dis fein ohne Müh 
dan wer an diesem Orth dabey will der Herr Wirth 
Sein Nahmen nicht kann lesen ganz -dienstbar sich erweisen 
Vnd niemals hier gewesen drauff wird man glücklich reissen 
Soll eh Er reisset fort Vnd künfftig frey passirt. 
Der /rinklöffel im Gasthaus zum Riesen stimmt in den Grundzügen mit 
dem Rettinger-Löffel überein. Die ornamentale Behandlung ist jedoch insofern ver- 
schieden, als hier der Vorderseite entlang ein Gewinde von ineinander greifenden 
Blättern hinläuft und die geschwungene Handhabe rückwärts mit einem Adler 
ab- 
schliesst, welcher mit dem Schnabel] einen | 
‚aubkranz erfasst und mit den Füssen 
eine volutenartige Verzierung umkrallt, die bis hinab zur Trinkschale in ein die 
ganze Rückseite des Löffelgriffes bedeckendes Arabeskenwerk sich verliert. Die 
Stiftung dieses Trinkgefässes wird auf (Nürnberger Kaufleute zurückgeführt, die 
mit den ihnen als Geleit beigegebenen. Schutzreitern im Gasthaus zum Riesen einzu- 
kehren pflegten. Ein Wahrzeichen der alten Noris, sei es ein Wappen, sei es die 
Marke N der dortigen kunstreichen Edelmetallschmiede, ist auf dem Gegenstande 
nicht zu erkennen. Die beiden Löffel, deren plastische Zier eine gediegene Zeichnung 
und geschickte Meisselführung bekundet, dürften durch die Originalität künstlerischer 
Gestaltung wie durch den Geist frohmüthigen Zecherthums, dem sie 
entsprossen 
sind, im Kreis kunstgewerblicher Scl 
\austücke der Epoche ihres Gleichen suchen. 
Die den beiden Gefässen allzeit erwiesene bacchische Verehrung wird beglaubigt 
durch zahlreiche Unterschriften, Reime und Denksprüche in den sogenannten 
Löffelbüchern, von denen ein älteres verloren gegangen ist. Das im Gasthaus zum 
Riesen befindliche Löffelbuch beginnt sein Verzeichniss mit dem Jahre ı 
724, jenes 
in der Familie Heinrich Rettinger schon mit dem | 
ahre 169i. In letzteres hatte 
Peter der Grosse seinen Namen eingetragen. Das Autographon ist jedoch ver- 
schwunden und eine Kopie an seine Stelle getreten. 
Unter den Strassenzügen der Vorzeit sei der Römerstrasse gedacht, welche 
nach Steiner’s Angabe von Gross-Steinheim an dem Wegkreuz bei Klein-Krotzen- 
burg vorüberzog, wo ihre Spuren jetzt den Namen Alte Strasse führen. Von 
da 
wird ihre Richtung mitten durch Seligenstadt zunächst nach 
dem Mainufer, dann 
aber mehr landeinwärts und weiterhin wieder dem Flusse zu gen Mainflingen und 
Stockstadt in einer solchen Höhenlage angenommen, dass sie von dem Hochwasser 
nicht erreicht werden konnte. Es war die der römischen Reichsgrenze dem Main 
entlang folgende, mit Kastellen bewehrte Militairstrasse. Der als Strassenbezeichnung in 
Seligenstadt vorkommende Name Römerstrasse ist nicht alten Ursprungs, sondern sehr 
jungen Datums und erst seit dem Jahre 1841 in allgemeinem Gebrauch. Kreisrunde, 
  
    
    
    
  
   
   
    
    
     
    
    
     
  
    
   
       
       
  
    
   
   
    
   
    
   
    
    
     
    
   
    
   
    
    
   
   
  
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