Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

  
Ihurm 
42 KREIS OFFENBACH 
worauf dann im Jahre 1504 der Umbau des jetzigen glanzvollen spätestgothischen 
Chores folgte und nun die gesammte Baugruppe als ein Bild der Verschmelzung 
von Bestandtheilen sakraler und profaner Architektur fertig dastand. 
Der 7hurm ist von quadratischer Plananlage und darf seiner ganzen Be- 
schaffenheit nach den Anspruch erheben, der ältere Theil des Baucomplexes zu 
sein. (Vergl. Abb. Nr. 6.) Das Material ist Basalt mit buntem Sandstein ge- 
mischt. Auf wuchtigem Sockel mit derber Wasserschlagneigung strebt das Unter- 
geschoss empor. Ausser der Stellung des Thurmes dicht an der Stadtbefestigung 
wird hier die wehrhafte Bestimmung des Gebäudes schon durch die im Mauerwerk 
befindliche langgestreckte Schiessscharte, sogenannte Schlüsselscharte, angedeutet. 
Das Untergeschoss, dessen Eindeckung aus einem Kreuzgewölbe mit abgefasten 
Kehlrippen besteht, dient dem Langhause der Kirche als Vorhalle. Den derben 
rundbogigen Zugängen auf der Nord- und Südseite sind aussen neuere spitzbi gIge 
Portale vorgelegt. Unter dem tiefunterhöhlten Simszug des folgenden Geschosses ist 
ein geviertelter Schild mit den drei Sternen des Hauses Erbach und dem Mainzer 
Rad als Reliefplatte eingemauert. (Vergl. Abb. Nr. 7.) Es ist das Wappen des 
Erzbischofs Dieterich, Sohn des Erbschenken Eberhard von 
Erbach. Dieterich sass von 1434 bis 1459 auf dem Mainzer 
Metropolitanstuhl. Unter seiner Regierung scheint sonach 
die Führung des Kirchenbaues von 1449 und die unmittel- 
  
bare Verbindung des Wehrthurmes mit dem jetzigen Lang- 
  
hause stattgefunden zu haben. An verschiedenen Stellen 
  
sind die Mauern von kleinen Fenstern in schlichten Pass- 
formen durchbrochen. Dann folgen auf allen vier Thurm- 
  
  
  
  
  
  
‚rosse, paarweise und symmetrisch geordnete Schall- 
seiten g 
Gross-Steinheim. Wappen öffnungen, die augenscheinlich später eingefügt sind und, 
Dieterich’s von Erbach am nach der stylistischen Beschaffenheit der Spitzbogen- 
Thurm der Pfarrkirche. schlüsse mit dem spielenden Masswerk ihrer theils schräge 
liegenden, theils umgestürzten Fischblasenmotive zu 
schliessen, dem spätestgothischen Stadium angehören. Besonders ausdrucksvoll ist 
der fortifikatorische Zweck des kraftvollen Bauwerkes in der Bekrönung betont. Ein 
vorspringender Zinnenkranz, sogenannte Schartenzeile, schliesst hier den Thurm 
stumpf ab. Auf kühn konstruirten, konsolenartigen Auskragungen treten vier luftig 
durehbrochene Eckthürmchen vor, die ebenfalls mit stumpfer Krenellirung endigen. 
Die von der Zinnenreihe umgürtete Plattform hat in der Mitte eine geringe, von 
unten nicht sichtbare Erhebung. Derbe Wasserspeier an der Westseite der Be- 
krönung schleudern das auf der Plattform sich ansammelnde nasse Flement weit- 
hin in’s Freie. Struktur wie Abmessung des Gebäudes, das in seiner ganzen Er- 
scheinung an den Charakter eines Bergfriedes gemahnt, sprechen für seine Bedeu- 
tung in der Stadtberingung. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass der 
Thurm anfänglich zum Schutz des verschwundenen Herrschaftshauses diente, zu 
        
  
    
     
   
  
    
  
   
   
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
   
   
   
  
  
  
   
   
     
    
      
    
    
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