Parkpavillon
I)
Ueberreste von
niedergelegten
a Bautheilen
KREIS ERBACH
bekundet das eifrige Bestreben des kunstliebenden Grafen, auch seinen Nutzbauten
den Charakter des Hochmonumentalen im Sinn des neuen Stiles zu verleihen. Die
Jahrzahl 1733 am Thürsturz der Stirnseite ist nur auf die an den auskragenden
Ecken leicht erkennbare Barockveränderung des Einganges zu beziehen.
Der Parkpavıllon (Fig. 77 u. Nr. 7 im Lageplan), eine heitere Schöpfung
aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, hat am Aussenbau das Charakteristische des
Barockstiles im Uebergang zum Rococo treu bewahrt, so dass der Beschauer den
Eindruck eines von den Ufern der Seine an die Mümling verpflanzten Gartenpavillons
aus der Frühzeit des Stiles Louis-Quinze empfängt. Das zierliche Gebäude steigt
in zwei Geschossen empor, deren Ecken mit leicht bossirten Quadern gesäumt sind
und jonisirende Kapitäle tragen. Das Untergeschoss bildet einen offenen Hallen-
raum mit Rundbogen-Arkaden. An der Fronte ist das mit der Gründunssinschrift
» Anno 1756« bezeichnete Portal mit dem am Obergeschoss vorspringenden Balkon
als ein organisches Ganzes komponirt. Der kraftvolle, aber durch spielende Orna-
mentik von aller Massenschwere befreite Portalschlussstein fungirt nämlich mit der
seitlichen Pilastrirung als Träger des Balkons, welchem ausserdem noch freistehende
Spiralsäulen mit korinthisirenden Kapitälen als Stützen dienen. Das Innere des
Obergeschosses hat durch die in den letzten Jahren vorgenommene Veränderung
zu Wohnräumen viel von seiner ursprünglichen, zu dem idyllischen Charakter des
Bauwerkes stimmenden vornehmen Behaglichkeit verloren. Nur das Innere eines
kleinen östlichen Anbaues hat seine malerische Auszier von’ mythologischen und
allegorischen Darstellungen bewahrt, womit ehedem auch die Haupträume ausgestattet
waren. Ein damit übereinstimmender westlicher Anbau fiel bei der Ueberschwem-
mung von 1852 — zugleich mit der in den dreissiger Jahren des ı8. Jahrhunderts
erbauten äusseren Schlossbrücke — den Fluthen der Mümling zum Opfer. Vom
Obergeschoss des Pavillons führen auf der Rückseite leicht konstruirte Freitreppen
in die umgebenden Parkanlagen. Das schmiedeiserne Gitterwerk an Thüren, Fenstern
und am Balkon bewegt sich in massvollen Blätter- und Rankenwindungen, die noch
frei sind von der ruhelosen, verflüchtigenden Formgebung, womit das Kunstgewerbe
des vorgerückteren Rococo an dergleichen Hervorbringungen seine ornamentale Eigen-
art durchgesetzt hat. Die Lage des Pavillons, im Vordergrunde mächtiger Baum-
gruppen des Gräflichen Parkes und reizender perspektivischer Durchsichten, ist wohl
dazu angethan, auf die zauberische Romantik der von wundersamer Vegetation
umgebenen Schlossgebäude selbst vorzubereiten. Uebrigens, um wieviel freier und
gefälliger muss der Anblick des graziösen kleinen Bauwerkes gewesen sein, bevor
die dicht daran vorüberziehende, einem hohen Damm vergleichbare Landstrasse die
reiche Architektur des Pavillon-Untergeschosses um einen beträchtlichen Theil ihrer
Wirkung gebracht hat? Unser Zeichner war bemüht, diesem Uebelstand nach
Möglichkeit abzuhelfen.
Zur Vervollständigung des Bildes der Schlossgruppe in ihrer Glanzzeit erübrigt
es, in Kürze einiger niedergelegten Bautheile zu gedenken, zunächst der von Schenk
Philipp III um die Mitte des 15. Jahrhunderts erbauten Schlosskapelle.. Kein
erkennbares Merkmal lässt mehr einen Rückschluss auf den Stil des Gebäudes zu,
von dessen älterer Geschichte wir wissen, dass die Einkünfte der zerfallenen Burg