Full text: Kreis Erbach (A, [2])

  
  
  
  
  
  
Profanbau 
Mümling-Quellen 
Io KREIS ERBACH 
noch sämmtliche Hochwände mit ihren Spitzbogenfenstern und Kreuzgewölben er- 
halten: die Unbill der Zeit hatte nur das Dachwerk hinweggetilgt. Jetzt steht von 
den Arkaden kein Stein mehr auf dem andern und selbst von ihren Werkstücken 
ist jede Spur verschwunden. Möglich, dass die Basamente der Säulen noch an 
ihren ursprünglichen Stellen im Schutt vorhanden sind. Nur von den Umfassungs- 
mauern und ihren nach der Thalseite hin freiliegenden Substruktionen sind grössere 
Bestandtheile mit beachtenswerthen Sockelsimsen übrig und bieten Anhaltspunkte 
zur Beurtheilung des rechteckigen Grundrisses. Ob an der Chorseite eine Altar- 
nische vorlag, ist an dieser niedergebrochenen und mit Schutt bedeckten Stelle 
nicht mehr zu erkennen. Die Höhe der aus dem abschüssigen Boden ansteigenden 
westlichen Sockelmauer misst bis zum Sockelgesims 3 m. Letzteres besteht aus 
meterlangen, meisselfertig behauenen Werkstücken in der Form des gedoppelten 
Wasserschlags mit trennender Hohlkehle von kräftiger Unterschneidung. Ueber 
dem Sims steht die westliche Hochwand stellenweise bis 1,50 m aufrecht. Die 
Technik des nach Läufern und Bindern sorgfältig geordneten Mauerwerkes ist 
tadellos und gewährt einen Rückschluss auf grosse Gediegenheit des verschwundenen 
Hochbaues. Am Fusse der Ruine sprudelt der St. Leonhardsborn in moderner 
Fassung; das alte Brunnenbecken liegt, unter wildem Gesträuch und Schlingpflanzen 
versteckt, im Innern des verwüsteten Gotteshauses, welches den angrenzenden 
Wohnhäusern des Weilers Leonhardshof als Steinbruch diente. 
Aeltere Werke der Profanarchitektur sind in Beerfelden seit der Brand- 
katastrophe nicht mehr vorhanden. Der von den Flammen halbzerstörte gothische 
Centthurm in der Nähe der Kirche musste wie diese der Erde gleichgemacht 
werden: sein Material ist unschwer in dem die alte Baustelle einfriedigenden 
Mauerzug zu erkennen. — Mitten in der Stadt sind die Quellen der Mümling 
innerhalb eines aufgemauerten grossräumigen Sandsteinbeckens einzeln gefasst und 
entsenden ihre Wasserfülle vermittelst zwölf Röhren in’s Freie. 
Im Besitz des Hrn. Steuerrath A. Decker befindet sich ein im Kastell Schlossau 
der Mümling-Grenzwehr (vergl. Abschnitt XI Hesselbach) gefundenes Fragment 
eines römischen Votivsteines der 22. Legion mit nachfolgender Inschrift: 
ARL: SS... 0... 
ANVS:Z: LEG: |) 
XXH P EI LEG- 
V:MACED:V SL:L-M: 
Augenscheinlich sind an der Inschrift mehrere Stellen abgesprengt, auch 
sind die beiden ersten noch vorhandenen Zeilen unvollständig. Von dem Buch- 
staben, welcher in der ersten Zeile auf S folgt, ist noch eine schwache Spur vor- 
handen, worin der Besitzer ein P vermuthet und hiernach die Inschrift ergänzt, 
wie folgt: »Aclius Sp. . . . . (wahrscheinlich Spartianus) centurio legionis vicesimae 
secundae primigeniae piae fidelis, legionis (oder legatus) quintae Macedonicae, votum 
solvit libenter laetus merito«. 
*) 2, Abkürzung für »centurio«. 
a aa FE a a a Er a ee En en A _ nn er
	        
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