Full text: Kreis Erbach (A, [2])

  
  
  
  
  
Thurm 
Langhaus 
Chor 
144 KREIS ERBACH 
und Thurm berührt haben. Das Bauwerk ist orientirt. An verschiedenen Stellen 
finden sich folgende Steinmetzzeichen : 
Der an der Westseite vorliegende T 
. . . jr \ 
Thurm baut sich in drei Geschossen auf. —L_ 
An der Fronte des von kräftigem Sockel 
I 
mit Wasserschlagsims umzogenen Unter- 
  
geschosses liegt das Hauptportal, dessen Gewändegliederung aus Doppelhohlkehlen 
  
  
mit trennenden Birnstäben besteht, die sich im spitzbogigen Sturz | ee] 
kreuzen. Auf dem Schlussstein steht die umränderte Jahrzahl TOSA 
: : L 
welche — mag sie 1467 oder 1497 gelesen werden — ohne Zweifel 28 
für die gothische Grundanlage des Gotteshauses zu beanspruchen ist, während die 
auf einem Eckquader über dem Sockel roh eingemeisselte Jahrzahl 1770 kaum eine 
wichtigere baugeschichtliche Beziehung haben dürfte. Den Portalgiebel überragt 
ein im Dreipass schliessendes Spitzbogenfenster, welchem an der Nord- und Süd- 
wand ähnliche Lichtöffnungen entsprechen. Oberhalb eines schräg abgedeckten Sims- 
zuges mit Hohlkehlenunterschneidung wiederholt sich diese Fenstergruppirung im 
zweiten Stockwerk des Thurmes. Das an Höhenabmessung bescheidenere Ober- 
geschoss dient als Glockenhaus; seine Schallöffnungen zeigen in den Spitzbogen- 
schlüssen reiches Fischblasen-Maasswerk paarweise angeordnet und von lebendiger 
Durchbildung. Ein wuchtiges steinernes Kranzgesims und ein darüber liegender 
hölzerner Simszug bezeichnen den stilistischen Uebergang vom gothischen Werk- 
stadium zur Bauthätigkeit der neueren Zeit, welcher die gesammte Thurmbekrönung 
angehört. Letztere besteht aus einer oktogonen, schieferbedeckten sogen. welschen 
Haube und einem doppelgeschossigen Laternenthürmchen, über dessen Bedachung 
das Thurmkreuz sich erhebt. 
Wie die Thurmanlage, so stammen auch die Umfassungsmauern des ZLang- 
hauses aus der gothischen Bauzeit; dafür spricht ebensowohl die Mauertechnik 
wie die Bildung der an den westlichen Schmalseiten neben dem Thurm an- 
gebrachten beiden Spitzbogenfenster. Auf der Südseite folgen sich zwei Eingänge 
mit kunstlosen Pfostengliederungen, die mit dem Hauptbau nicht wohl gleichaltrig sein 
können, sondern allem Anschein nach als spätestgothische Niedergangsformen des 
16. Jahrhunderts anzusehen sind. Von dem ursprünglichen Lichtgaden des Lang- 
hauses ist nichts mehr übrig. Nach einer Feuersbrunst im Beginn des vorigen 
Jahrhunderts wurden die gothischen Fenster durch schlichte rechteckige Licht- 
öffnungen ersetzt und gleichzeitig die jetzige Flachdecke eingefügt. Diese Neuerungen 
fallen. in die Jahre 1714 und 1715. Ohne Zweifel war das Langhaus auch in 
gothischer Zeit flach eingedeckt; wenigstens sind weder Streben am Aussenbau, 
noch Tragsteine am Innenbau vorhanden, aus denen auf eine ehemalige Ein- 
wölbung geschlossen werden könnte. 
Am meisten hat der Chor seine ursprüngliche Beschaffenheit bewahrt und 
nimmt eben dadurch das grössere Interesse in Anspruch. Schon die Planunlage 
dieses Bautheiles ist insofern beachtenswerth, als das Chorhaupt nicht polygon 
gestaltet ist, sondern geradlinig abschliesst, mithin einen in der Mittelrheinzone 
weniger üblichen Abschluss aufweist. Gegen das Langhaus öffnet sich ein gross-
	        
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