ne
Langhaus
und Chor
Schloss
152 KREIS ERBACH
Im obersten Geschoss liegt das Glockenhaus, welches an seinen freistehenden
Seiten von Schallöffnungen mit je drei triangulär geordneten Dreipässen durch-
brochen ist. Als Mauerbekrönung des Obergeschosses dient eine leicht vorspringende
Aufsattelung mit breiter Zinnenreihe aus treffllichen Werkstücken und darin sich
öffnenden Schlüsselscharten, eine Anordnung, die erkennen lässt, dass der T'hurm,
ausser seiner sakralen Bedeutung, auch wehrhafte Bestimmung besass und in-
mitten des befestigten Kirchhofes den Zweck eines Bergfrieds zu erfüllen hatte.
In alter Zeit bildete die Zinnenreihe jedenfalls den Abschluss des Thurmes. Jetzt
lagert darüber ein hölzernes, durch schwere Renaissance-Profilirungen gegliedertes
Kranzgesims, aus welchem ein anfänglich stumpfer, dann als schlanke Spitze ver-
laufender Schieferhelm mit wohlstilisirtem schmiedeisernem Kreuz sich erhebt.
Ueber die Zeit der Erbauung des Zanghauses mit Chor gibt J. Ph.W. Luck,
im Anschluss an Daniel Schneider, aus dem vorigen Jahrhundert folgende Notiz:
»Der GBrundjtein ward im April 1750 gelegt, und den 21. October 1751 ge
jhahe die feyerliche Einweihung mit allen Solennitäten.« Die Architektur dieser
Bautheile legt der kunstwissenschaftlichen Betrachtung Entsagung auf. Die Plan-
anlage bildet ein schlichtes Rechteck mit dreiseitigem Chor. Das Innere über-
spannt eine einfache Flachdecke mit geschwungenem Ablauf am Auflager der
Hochwände. Rechteckige Fenster ohne Gliederung, mit darüber angebrachten
kleinen ovalen Lichtöffnungen (oeils de boeuf) erhellen den Raum. Der stattliche
Aufbau von Kanzel und Orgelbühne mit ihrer dem Rococo zuneigenden Barocco-
ÖOrnamentation und die kürzlich erfolgte Erneuerung des Anstrichs sind allein im
Stande, dem Innenbau zu einiger Wirkung zu verhelfen. — Am Portalsturz des
Langhauses prangt das von zwei Genien flankirte Wappen des Hauses Erbach;
die darunter befindliche Inschrift mit der Jahrzahl MDCCLI nennt den Grafen
Georg August zu Erbach-Schönberg als Urheber des umgebauten Gotteshauses.
Mit der Kirche ist das Gräfliche Sc/loss zu einer Baugruppe vereinigt. Ver-
mittelst eines durch das zweite Thurmgeschöss führenden Korridors wurde ein
bequemer Zugang zur herrschaftlichen Kirchenloge hergestellt. Es ist so ganz un-
wahrscheinlich nicht, dass das moderne Gebäude auf den Grundmauern einer
mittelaltrigen Burganlage ruht. Quellenmässig steht nur soviel fest, dass Graf Georg I
i. J. 1559 an dieser Stelle einen jüngeren Schlossbau errichtete, von dem jedoch
bedeutende Bestandtheile nicht mehr vorhanden sind. Die Bauformen des gegen-
wärtigen Schlosses, mögen ihre Ansprüche an Monumentalität noch so bescheiden
sein, verrathen eine viel spätere Entstehungszeit und deuten allem Anschein nach
auf das Ende des vorigen und auf den Beginn des jetzigen Jahrhunderts. Zu
dem letzteren Zeitverhältniss stimmt denn auch die Innenausstattung des Ge-
bäudes. Eine ganze Reihe von grösseren und kleineren Wohnräumen haben das
Stilgepräge theils der Louis XVI-Epoche, theils des Empire, besonders in Wand-
nischen, Spiegeln, Vasen, Leuchtern und in den Schmuckrahmen einer Folge von
Sepialandschaften , grossentheils Baumschlagstudien, Architektur-Veduten aus der
Umgebung von Rom, wie Ponte Molle, Albano, Tivoli, und bezeichnet: AMarıe
Kraus fecıt 1794, die Künstlerin scheint nach Stil und Technik eine Schülerin
Philipp Hackerts gewesen zu sein.
Auch zwei liebliche Reliefgruppen in Alabaster,
nn —