Full text: Kreis Erbach (A, [2])

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Orgel, Kanzel, 
Taufstein 
  
156 KREIS ERBACH 
legte, deren Namen es für die Folge trug. Der die Kirche umziehende angebliche 
Burgplatz ist jetzt als Friedhof eingeebnet, zeigte aber noch vor wenigen Jahr- 
zehnten mehrere Gruppen von erheblichen Ueberresten alten Gemäuers und einen 
in der Südostecke aufragenden Wehrthurm. In beträchtlicher Ausdehnung ziehen 
noch gegenwärtig Substruktionen in geringer Tiefe unter dem Boden hin und er- 
schweren die Anlage der Gräber. Auch das Vorhandensein eines verschütteten 
Brunnens, sowie ansehnliche Spuren von Wall und Graben an der Nord- und Öst- 
seite des Plateau’s nebst einzelnen erhaltenen Stellen eines alten Mauerringes sind 
wohl geeignet, die Annahme eines früheren Burgbaues zu unterstützen. Modernen 
Ursprunges sind dagegen der spitzbogige Eingang des Friedhofes und die zu beiden 
Seiten sich anschliessenden Mauerzüge. 
Die Kirche nimmt annähernd die Mitte der Oertlichkeit ein und ist ein in 
seiner Art stattliches Gebäude, welches die Jahrzahl 1771 trägt, mithin einer Zeit 
entstammt, deren baukünstlerische Versuche, den Ausschreitungen der Spät- 
renaissance-Verzweigungen gegenüber, auf eine gemässigtere Formgebung gerichtet 
waren, ein Streben, das selbst an dem im Ganzen schlicht ausgestatteten Werke 
nicht zu verkennen ist. Welcher Zeit und welchem Stil das diesem Neubau vor- 
hergegangene, der Ueberlieferung nach sehr kleine Gotteshaus angehörte und ob 
es als Burgkapelle einen Bestandtheil des muthmasslichen früheren Reizen-Schlosses 
ausmachte, ist ungewiss. Einen einigermassen zutreffenden stilistischen Anhalt bietet 
nur der unterhalb des jetzigen Fassadengiebels in die Hochwand eingefügte Ueberrest 
eines Sakramentshäuschens, dessen Umrahmung eine so auffallende Mischung von 
Formen der Gothik und der Renaissance verräth, dass die Entstehung nicht vor 
den Beginn des 16. Jahrhunderts zu setzen ist. — Die Plananlage der Kirche 
bildet ein Rechteck mit dreiseitigem Chorschluss. Der Fassadengiebel ist durch 
doppelte Karnieszüge gegliedert und verläuft in geschwungener Linienführung. 
Darüber erhebt sich der Glockenthurm als sogen. Dachreiter, anfänglich in quadra- 
tischem Aufbau, dann in eine birnförmige Schieferbekrönung mit Thurmknopf 
übergehend. — Von den drei Eingängen ist das Hauptportal im Westen, mit 
horizontalem Sturz und verkröpften Gliederungen, ungleich einfacher gestaltet als 
die nördlichen und südlichen Seitenportale, die zwar ähnlich profilirt sind, aber 
durch ihre Rundbogenschlüsse und Giebelungen an Wirkung gewinnen. Das Innere 
wird durch vier hohe rundbogige Fenster erhellt und ist von einer Flachdecke über- 
spannt, die an ihrem Auflager kurvenartig die Hochwände erreicht. Letztere sind an 
den Zwischenräumen der Lichtöffnungen durch Mauerstreifen, sogen. Lisenen, verstärkt. 
Was die Ausstattung des Inneren betrifft, so lässt sich weder von den roh 
gearbeiteten Emporen noch von der Orgelbühne behaupten, dass sie zur Ver- 
schönerung des Gotteshauses beitragen. Das Orgelgehäuse und die Kanzel hin- 
gegen sind im Ornamentalen anerkennenswerthe Schnitzarbeiten des späteren Rococo, 
mag immerhin das Figurale, darunter die Posaunen blasenden Genien auf dem 
Kranzgesims und der symbolische Pelikan auf dem Schalldeckel der Kanzel, nicht 
auf der gleichen Höhe plastischen Könnens stehen. Auch die das Becken des 
Taufsteines tragende Karyatidenfigur, mit den Merkmalen des Barocco vom Ende 
des 17. Jahrhunderts, geht über die Mittelgutgrenze nicht hinaus.
	        
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