Full text: Kreis Erbach (A, [2])

    
  
     
   
  
   
    
  
  
   
    
   
    
     
   
   
    
  
   
   
    
     
   
    
    
    
   
    
  
  
  
  
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KREIS ERBACH 
hohem Grade zu beanspruchen. Das Skulpturwerk (Fig. 108) war früher im west- 
lichen Mauerzug des die Kapelle umgebenden Friedhofes eingelassen, bei dessen 
Erweiterung der Fund zu Tage getreten war. Zu besserem Schutz wurde es 
i. J. 1884 im Innern des Kirchleins aufgestellt, anfänglich im Chor und später an einer 
geeigneteren Stelle der südlichen Hochwand dicht beim Haupteingang, wo es sich 
noch jetzt befindet. Das Denkmal ist 90 cm hoch, 103 cm breit und besteht aus 
hellem Kalkstein der Umgebung. Die Nebenflächen sind glatt behauen. Die 
Vorderseite zeigt eine Nische, die am Fusse gradlinig, im Scheitel stichbogenförmig 
abschliesst. Der Bogen ruht an den Seiten auf flankirenden Stützen mit Kämpfern, 
von denen nur noch schwache Spuren erkennbar sind. Im Innern der am Scheitel 
fächerartig ornamentirten Nische erscheinen drei in schwere Gewänder gehüllte 
Frauengestalten auf Lehnsesseln sitzend, wie solche in römischen Grabräumen auch 
diesseits der Alpen vorkommen. Jede der drei Figuren hält mit beiden Händen 
eine auf dem Schoosse ruhende korbförmige, mit Aepfeln oder ähnlichen Baumfrüchten 
angefüllte Schale. Die mittlere Figur nimmt einen etwas höheren Sitz ein als die 
Nebenfiguren; ihre Füsse ruhen auf einem Podium. Das Antlitz ist bis zur Un- 
kenntlichkeit beschädigt. Die Haltung des auch sonst schwer verletzten Hauptes 
lässt nur noch soviel errathen, dass dasselbe ez face gebildet und von einer 
fest anliegenden. Umhüllung bedeckt war, die in seitlichen Streifen auf die Achseln 
niederwallt und unter dem Kinn durch eine Binde zusammengehalten wird. Die 
beiden gleich grossen, etwas tiefer sitzenden Nebenfiguren weichen insofern von der 
Mittelfigur ab, als ihre Köpfe seitwärts gerichtet sind und Bedeckungen tragen von 
einer Form, die es unentschieden lässt, ob dieselben Nimben, ob breitgeränderte 
Hüte oder aber schwülstige Coiffüren darstellen, die an den Kopfputz weiblicher 
Porträtskulpturen der spätrömischen Imperatorenzeit erinnern. Die Gewandung ist 
bei allen drei Gestalten übereinstimmend; sie besteht aus Unterkleid und Mantel, 
vergleichbar dem klassischen Chiton und Himation. Die Untergewänder schliessen 
dicht am Halse an und fallen in langem Wurf herab, so dass am Saum nur die 
gerundeten Fussspitzen sichtbar sind. Der Mantel ist über die Schultern geworfen 
und auf der Brust durch eine einfache Fibula befestigt. Es war keine Meisterhand, 
aus welcher das Relief hervorgegangen ist. Wir bemerken nur geringe Andeutungen 
eines organischen Gliedergefüges. Die beiden erhaltenen Köpfe zeigen runde, volle 
Formen. An den Händen sind die Finger nur schwach betont. Die Gewandfalten 
leiden an einer gewissen Gleichmässigkeit und Herbigkeit, wie solche dem archaischen 
Stil eigen ist, an dessen Nachbildung die Römerplastik besonders zur Zeit Hadrians 
Gefallen fand und seine Eigenthümlichkeit auf eine ganze Reihe hieratischer Skulpturen 
übertrug. Hieratischer Natur ist denn auch ohne Zweifel der Gegenstand des in- 
schriftlosen Reliefs, dessen Figuren schon Kehrer mit Recht als Deae Matronae 
(auch Deae Matres, Matrae, Moaırac und Funones genannt) erklärte, d. i. 
als mütterliche Gottheiten in der Bedeutung von Göttinen des Segens, worauf die 
Fruchtschalen auf deren Schooss hinweisen. An ein Werk christlichen Ursprunges 
zu denken, verwehrt augenscheinlich die ganze Auffassung. Wohl sind Darstellungen 
von sogen. Selbdritt-Gruppen — es sei an die Dreijungfrauen -Bilder erinnert — 
dem Kreise der Heiligenlegende nicht fremd. Allein in solchen Fällen ist die
	        
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