Kirchengründung
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den Beinamen Flaccus Albinus; Angilbert war der Homer, welcher die kaiserlichen
Thaten in lateinischen Dichtungen pries: Zinhard, Beseleel genannt, begleitete das
Amt eines Intendanten der künstlerischen Unternehmungen des machtvollen Herrschers
und war dessen Historiograph. Einhard war aber nicht nur Gelehrter und Kunst-
freund, er war selbst Künstler, wenn auch nicht von Haus aus Architekt, wie
mitunter angenommen wird. Ein Zeitgenosse rühmt von ihm: »Einhard versteht
es, künstlich zu machen allerlei Werk: edle Steine zu schneiden, zu meisseln in
Holz, zu arbeiten in Gold, Silber und Erz.« Das edle Kunsthandwerk war es
sonach, womit der bedeutende Mann in seinen Mussestunden sich beschäftigte.
Einhard war der stete Begleiter des Kaisers auf dessen Reisen und Heereszügen ;
auch soll er es gewesen sein, auf dessen eindringlichen Rath Karl .der Grosse im
Jahre 813 seinen Sohn Ludwig zum König ernannte. Einhard’s Gemahlin, Imma,
auch Emma genannt, war eine Schwester des Bischofs Bernhard von Worms und
wahrscheinlich einem vornehmen schwäbischen Geschlecht entsprossen. Die Meinung,
Imma sei eine Tochter Karl’s des Grossen gewesen, ist unhistorisch und beruht
auf einer Verwechselung mit Angilbert; auch führt keine der in Einhards Lebens-
beschreibung Karl’s genannten kaiserlichen Töchter den Namen Imma.
Schon zu des Kaisers Lebzeiten hatte Einhard gewünscht, fern von Weltge-
schäften und irdischen Sorgen seinem Seelenheil leben zu können. Dieser Wunsch
ging in Erfüllung, als Einhard und Imma im Jahre 815 von Ludwig dem Frommen
mit ansehnlichen Domanialgütern zu Michelstadt im Odenwald (urkundlich Michlin-
stadt um Odonawaldt) beschenkt wurden und daselbst ihren Wohnsitz nahmen.
Bemerkenswerth, weil von rührender Einfachheit, sind die Worte, womit Einhard
über diese Schenkung sich äussert; er schreibt: »Als ich noch bei Hofe war und
weltlichen Geschäften oblag, dachte ich im Stillen oftmals an die Ruhe, welche
ich dereinst zu geniessen wünschte. Da fand ich einen verborgenen, vom Geräusche
der Welt ganz abgelegenen Ort im Odenwald und erhielt ihn vom König Ludwig
zum Geschenk.«
Einhard und Imma gaben der Schenkung eine religiöse Weihe durch die
Errichtung eines künstlerisch ausgestatteten Gotteshauses; basılıca non indecori
operıs nennt der Erbauer in seinen Schriften selbst das Werk, welches 821 vollendet
war und in eben diesem Jahre unter dem Namen Marienkirche, ecclesia beatae
Marıae vırginıs seine Weihe erhielt.*) Um die Altäre des Gotteshauses durch
die Niederlegung von Reliquien hochverehrter Blutzeugen zu verherrlichen und da-
durch ebensowohl einer kirchlichen Vorschrift wie dem in diesem Betracht damals
besonders lebhaften Verlangen der Gläubigen zu genügen, schickte Einhard seinen
Notar Rathleıch (Rathlaık, Rathlaith) nach Rom, wo es Letzterem gelang, aus
den Katakomben die Gebeine der heiligen Märtyrer Petrus und Marcellinus zu
erhalten, die er über Pavia, St. Moriz im Rhonethal und Solothurn nach Strassburg
brachte, von wo aus sie im Herbst des Jahres 826 in feierlicher Procession am
Ort ihrer Bestimmung eintrafen. — Nur kurz war die Ruhe des errungenen kost-
baren Gutes am Ziel. Wie der fromme Stifter in seiner Geschichte der Ueber-
*) Vergl. G. Simon S. 5ı und den dortigen Hinweis auf »Annal. antiq. Fuld.« bei »Pertz Mon. Germ.« E05.