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und Freund des Kunstalterthums wird vielmehr dieser Annahme rückhaltlos bei-
pflichten, wenn er bei einem Besuche des altehrwürdigen Baudenkmales, in vor-
urtheilsfreier Würdigung der Dinge, die kultur- und kunstgeschichtlich merkwürdige
Oertlichkeit aufmerksam prüft. Fasst man die einschlägigen Kriterien rückblickend
zusammen, so liegt der Schluss nahe: ein karolingischer Sakralbau ist auf dem
Grund und Boden des ehemaligen Einhard-Besitzthumes zu Steinbach vorhanden,
und, soweit neben positiven kunstarchäologischen und bautechnischen Anhaltspunkten
auch das historische Sachverhältniss sich verfolgen lässt, kann ein begründeter
Zweifel nicht mehr bestehen, dass in diesem Karolingerwerke die von Einhard um’s
Jahr 815 errichtete Basilika (1102 ecclesza beatae Marine semper virginıs apud
cellam Mhichlinstat) zu erkennen ist.
Somit ist denn der Schleier hinweggezogen, welcher Jahrhunderte lang das
zerstört und bis auf die letzte Spur weggetilgt geglaubte Kunstdenkmal den Blicken
verhüllt und dem Bewusstsein der neueren und neuesten Zeit entfremdet hat. Das
Karolingerwerk, welches auf dem stillen Wiesenplan zu Steinbach in trümmerhaftem
Zustand trauert und über dessen Ruinen der Geist Einhard’s und Imma’s schwebt,
hat nach dem unverdienten Schicksal völliger Verschollenheit und Vergessenheit
Anspruch darauf, nicht allein an der Spitze der frühesten Sakralmonumente der
Provinz Starkenburg zu stehen, sondern am ganzen Mittelrhein diesen ihm ge-
bührenden hohen Rang einzunehmen. Die Einhard-Basilika im Kreis Erbach ist in
der That die älteste in ansehnlichen Ueberresten erhaltene Schöpfung christlich
germanischer Architektur in mittelrheinischen Landen und überhaupt eines der
kostbarsten Denkmäler baukünstlerischer Vorzeit.