Full text: Kreis Erbach (A, [2])

  
  
  
  
  
  
  
  
Holzplastik 
   
60 KREIS ERBACH 
fassung und Technik, für die Kenntniss des Zeitkostüms jedoch dadurch charak- 
teristisch, dass Vegetativgebilde als Verlängerungen der Aermel von den Ellbogen 
bis zur Erde niederwallen. — Die Reliefgestalt der 1535 verstorbenen Gräfin 
Brigitta, Tochter des Grafen Eberhard I von Erbach, dessen Monument die süd- 
liche Grabkapelle der Kirche zu Michelstadt ziert, ist mit wallendem Haar und 
gefalteten Händen in schreitender Stellung aufgefasst, mit dem Hunde als Symbol 
der Treue zu ihren Füssen. Ein Zug der Renaissance webt schon in den Be- 
wegungslinien der graciösen Figur, deren ganzes Wesen dem Beschauer das Bild 
der typischen deutschen Jungfrau des 16. Jahrhunderts vor Augen führt. 
In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, auch der in einer Nische des 
unteren Bergfried-Geschosses aufgestellten beiden Grabsteine des Schenken Konrad 
f 1464 und seiner Gemahlin Anna von Bickenbach + 1451 zu gedenken, welche 
ursprünglich in der Sepultur der Erbacher zu Schönau sich befanden, dann in 
Folge einer bedauerlichen Profanation lange Zeit verschollen waren, bis sie i. 1.1878 
wieder an das Tageslicht kamen und an ihrer jetzigen Stelle gesicherten Schutz 
erhielten. Die Figuren des vornehmen Ehepaares sind weit davon entfernt, plastische 
Meisterwerke zu sein und gehen über die Linie handwerksmässiger Steinmetzen- 
arbeit nicht hinaus. Allein abgesehen davon, dass diese beiden Denkmäler die 
einzigen erhaltenen Grabsteine der 1503 ausgestorbenen jüngeren Linie Erbach- 
Erbach sind, haben sie unter dem Gesichtspunkt des Kostüms auf kunstarchäologische 
Beachtung Anspruch. Schenk Konrad tritt in voller Waffenrüstung auf. Das Haupt 
ist mit der geöffneten Visirbeckenhaube bedeckt. Die Rechte trägt die Turnier- 
lanze mit dem dreigestirnten Wimpel, welchem auf der anderen Seite der Figur in 
gleicher Höhe der Schild entspricht. Die Linke ruht auf den Büffelhörnern eines 
von bewegtem Blattwerk umrankten Helmes, welcher das am Boden stehende Haus- 
wappenschild überragt. — Im Gegensatz zum Hochrelief des Ritters ist die ungleich 
besser komponirte Gestalt der Schenkin Anna, mit Ausnahme der Reliefbehandlung 
des Antlitzes, als Koilanaglyph d. h. in vertieften Umrisslinien (bas-relief en creux), 
zur Darstellung gebracht, ein in der Gothik seltener vorkommendes technisches 
Verfahren. Die Hände sind auf der Brust zum Gebet vereinigt. Schleier und 
Gewand fliessen in nicht unedlem Faltenwurf herab. An den Seiten des Hauptes 
enthalten zwei Wappenschilde das Erbacher Dreigestirn und die Bickenbacher Raute. 
Ueber die in die Treppenwand der Schlosskapelle eingelassene Grabplatte des 
i. J. 1119 zu Kloster Steinbach verstorbenen Adfes Benno von Lorsch und über 
das in der Schlosskapelle selbst befindliche Arkosolium des seinem Lorscher Vor- 
gesetzten im Tode bald nachgefolgten Steinbacher Propstes Zzbelin sei auf Abschnitt 
»XXX Steinbach« dieser Abtheilung verwiesen, woselbst beide für die Geschichte 
von Kloster Steinbach hochwichtigen Denkmäler auch bildlich wiedergegeben sind. 
Als Werke der Holzplastik seien genannt: die dem 16. Jahrhundert angehörigen 
Figuren der Ah. Wendelin und Maria Magdalena, Arbeiten, die sich nicht 
über Mittelgut erheben, jedoch als letzte Ueberreste der in den fünfziger Jahren 
niedergelegten Friedhofkapelle des benachbarten Dorfes Zell an der Mümling Er- 
wähnung verdienen. — Auf die gleiche Zeitstellung ist ein figurenreiches 70 cm 
hohes, 55 cm breites Passzonsrelief, die Kreuztragung darstellend, zurückzuführen, 
    
   
   
    
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
    
   
  
  
   
    
   
  
  
  
   
   
  
   
  
    
	        
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