St. Hubertus-
kapelle
62 KREIS ERBACH
stadium dieser farbenreichen Kunsttechnik werthvoll sind. Die Tafeln (Fig. 34)
stammen aus der von der h. Gertrudis, Tochter der h. Elisabeth, Landgräfin von
Hessen und Thüringen, um 1267 erbauten Kirche des ehemaligen Prämonstratenser-
Frauenklosters Altenberg bei Wetzlar, zu deren Ausschmückung mit Glasgemälden
König Adolf von Nassau eines der Chorfenster gestiftet haben soll. Fürst Wilhelm
von Solms-Braunfels, Eigenthümer des säkularisirten Klosters, schenkte mehrere
dieser Tafeln nach Erbach, wo sie in verschiedenen Museumsräumen als Fenster-
schmuck prangen. Die in Rede stehenden Glasgemälde sind paarweise geordnet und
enthalten in Linearumrandung mit krönenden Rosetten die Verkündigung Mariä und
die Anbetung der h. drei Könige, begleitet von folgenden Majuskel-Spruchbändern ;
»AVE SRASIA PLENA« bei dem Engel Gabriel, „ECCE ANRCILLA
DO@IRNI< bei der Madonna, und »DELCOHER, BALOSASAR, CHSPAR«
bei den Königen. Der frühen Zeitstellung entsprechend ermangelt das Figürliche
noch der freien Bewegung, die Karnation ist etwas dunkel gehalten, und in der
einfachen Palette sind, abgesehen von Schwarzloth, ungebrochenes Roth, Gelb, Grün,
Blau noch ohne Ueberfangglas vorherrschend. Aber durch Stil und ungewöhnliche
Farbengluth sind die Tafeln höchst seltene und charakteristische Leistungen. Sie
zeigen, einer wie weiten Verbreitung schon die frühgothische Glasmalerei sich zu
erfreuen hatte und ein wie wichtiges Moment sie in der erhabenen und wunder-
baren Gesammtwirkung der Kirchen jener Zeit bildete.
Einem anderen, gottesdienstlichen Zwecken gewidmeten Raum im Erdgeschoss
des Schlosses, der 5/. Zubertuskapelle, gebührt gleichfalls der Name eines Heilig-
thums christlicher Kunst durch eine ganze Fülle daselbst vereinigter plastischer
und malerischer Werke aus dem Mittelalter und der Renaissance. Ein aus der
chemaligen Wallfahrtskirche zu Schöllenbach (s. Abschnitt XXVIII) ‚stammender
grossartiger Altarschrein, mit der Wurzel Jesse ünd dem Stammbaum Christi als
holzplastischer Hauptdarstellung in der Predella und Mittelnische, und den sieben
Freuden Mariä in Hochreliefgruppen auf den Innenseiten der Flügel ist schon allein
geeignet, der Kapelle einen hohen künstlerischen und kunstgeschichtlichen Werth zu
verleihen. (Fig. 35.) Für die Entstehungszeit des Altarschreines haben nicht nur
die spätgothischen Stilformen im Figürlichen wie Ornamentalen, sondern auch die
an den Seiten der Predella angebrachten Wappen von Erbach und Wertheim, welche
auf den i. J. 1503 geschlossenen Ehebund des Grafen Eberhard I von Erbach mit
Maria von Wertheim sich beziehen, zeugenhaften Werth. Die Möglichkeit ist nicht
ausgeschlossen, dass das Werk die Bestimmung hatte, eine Votivstiftung zur bleibenden
Erinnerung an diesen Ehebund zu sein, da der Schrein durchaus mittelaltrigen
Formengesetzen folgt und noch keine Spur von Einflüssen der Renaissance aufweisst,
die erst gegen Mitte und Schluss .der Regierungszeit Eberhard’s (f 1539) in der
Odenwaldzone Wurzel fasste. Angesichts des spätgothischen Stilcharakters und
Formenreichthums des Schöllenbacher Altarschreines lässt sich darum sagen, dass
dieses Werk an der äussersten Grenze mittelaltriger Kunst noch einmal mit be-
wunderungswürdiger Bildungskraft den Stammbaum Christi und Vorgänge aus dem
Marienleben in einer Weise vor Augen führt, wie solche der christlichen Welt
Jahrhunderte lang lieb und theuer geworden war.
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