EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Ueber die frühesten Bewohner der Landschaft, worin der vormalige Kreis
Wimpfen gelegen ist, geht die herrschende Ansicht dahin, dass ursprünglich — wie
in den sonstigen Gebieten zwischen Rhein und Neckar — keltische Stämme sich hier
niedergelassen hatten, nach deren Auswanderung in das südliche Gallien der suevische
Stamm der Markomannen die verlassenen Gegenden längere Zeit besetzt hielt, bis
derselbe zu Anfang der christlichen Aera infolge des Vordringens der römischen
Legionen gegen den Rhein in das Innere Deutschlands zurückwich und auf böhmischem
Boden neue Wohnsitze gründete.
Die Römer legten anfänglich keinen Werth darauf, den allem Anscheine nach
auf friedlichem Wege, wenigstens nicht mittelst gewaltsamer Eroberung durch Feuer
und Schwert genommenen Landstrich sofort ihrem Weltreich unmittelbar anzugliedern.
Sie begnügten sich vorerst damit, die verödete Gegend durch gallische Einwanderer
wieder zu bevölkern. Wessen Schlages diese Kolonisten waren, erhellt aus der
Germania des Tacitus; dort heisst es im XXIX. Kapitel (edt. F. Haase): Non
numeraverim inter Germaniae populos, quamquam trans Rhenum Danuviumque
consederint, eos qui decumaltes agros exercent: levissimus quisque Gallorum et
inopia audax dubiae possessionis solum occupavere,; mox limite acto promotisque
praesidüs sinus imperü et pars provinciae habentur. Deutsch: Zu Germaniens
Völkern möchte ich nicht diejenigen zählen, die, obschon jenseits des Rheines und
der Donau sesshaft, die dekumatischen Ländereien bebauen. Nur leichtfertiges
Galliervolk, tollkühn aus Mittellosigkeit, trat den zweifelhaften Besitz an, seit
der Grenzregelung und dem Vorschieben von Wehranlagen wird das Gebiet als
ein Anhang des Reiches und Theil einer Provinz angesehen. Der Autor ver-
schweigt den Namen dieser Provinz. War es die oberdeutsche, war es die rhätische
Provinz? Wir wissen es nicht. Auch der Sinn von decumates agri ist noch nicht
allgemein befriedigend festgestellt; die hergebrachte Erklärung lautet dahin, dass die
Kolonisten, anstatt der im Römerreiche eingeführten Grundsteuer, den Decem, den
Zehnt, also den zehnten Theil des Ertrages aus den ihnen überlassenen Ländereien als
Naturalsteuer zu entrichten hatten, woher die Bezeichnung Dekumatenland, Zehntland.
Erst die Kaiser Domitian, Trajan, Hadrian und Antoninus Pius liessen sich die
Einverleibung des Dekumatenlandes als Bestandtheil des römischen Reiches ernstlich
angelegen sein. Diese Imperatoren sind als früheste Erbauer des von ihren Nach-
folgern vollendeten Zimes Romanus, d. h. der durch Wälle, Gräben, Kastelle und
zahlreiche Wachtthürme gesicherten römischen Reichsgrenze anzusehen, die auch die
Aufgabe hatte, die decumates agri in sich aufzunehmen. Diese Grenzwehr, der
sogen. Pfahlgraben, im Volksmund schlechtweg »Pfahl« genannt, beginnt bei Kehl-
heim an der Donau als rhätischer Limes, erstreckt sich in noch heute kennbaren
Ueberresten westlich bis Lorch an der Rems, zieht von da als obergermanischer oder
transrhenanischer Limes nordwärts an den Main, umschliesst in weiten Strecken
Wetterau und Taunus, und endet am rechten Rheinufer unweit des Dorfes Rhein-
brohl, nördlich von Andernach und Neuwied. Nicht minder wichtig war für die
Sicherung des Dekumatenlandes eine am Verbindungswinkel des rhätischen und ober
germanischen Limes sich abzweigende innere Parallelschutzwehr, die auf württem-
bergischem Gebiet anfänglich durch das Remsthal geht, dann von Kannstadt ab dem
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