132 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
quellenmässige Geltung beanspruchen dürfen. Ueberdiess sind verwandte Züge mit
analogen, urkundlich beglaubigten Monumenten mehrfach am Palatium vorhanden.
Es fehlt nämlich nicht an weiter unten näher zu erörternden Bestandtheilen, deren
wuchtige Werkstücke, Rundbogenbildungen, Säulengestaltung und charakteristische
Einzelformen — alles Momente, worauf es bei Bestimmung des Zeitverhältnisses in
hohem Grade ankommt — mit voller Deutlichkeit die Sprache des romanischen Stiles
reden, wie er in der mittleren und späteren Hohenstaufenzeit in Uebung stand. Und
wenn die kaiserlichen Pfalzen der Epoche gleich von Anbeginn mit überraschender
Grossartigkeit auf den Plan traten, so ist der Umstand mit in Erwägung zu ziehen,
dass Denkmäler der Sakral-Architektur von der Bedeutung der mittelrheinischen
Dome zu Mainz, Speier und Worms — Monumente, welche die besten Kräfte bau-
künstlerischen Schaffens beanspruchten und deren Vollführung lange Jahre dauerte
— unmöglich ohne Anregung und bestimmenden Einfluss auf die Civilbaukunst, ins-
besondere auf die Palatialarchitektur der baulustigen Hohenstaufenkaiser bleiben
konnten. Auch sind unter diesem Gesichtspunkt im vorliegenden Fall die uralten
Beziehungen der Wormser Bischöfe zur Stadt Wimpfen mit in Anschlag zu bringen,
insofern damals in und um Worms der romanische Baustil fleissig geübt wurde.
Um aber an archivalischer Unterstützung nicht ganz leer auszugehen, sei
erwähnt, dass Kaiser Friedrich I seine Genehmigung zur Anlage der Stadt Geln-
hausen in unmittelbarer Nähe der kurz vorher von ihm erbauten Kaiserpfalz, im
Jahre 1170 ertheilt hat. Nun, zwischen dieser besterhaltenen Barbarossaburg und der
Wimpfener Pfalz herrscht an den Palatialfronten sowohl im Aufbau wie im Stil der
Einzelformen grosse Uebereinstimmung, nur mit der Abweichung, dass gegenüber
der zierlicheren Durchführung zu Gelnhausen die Wimpfener Formen, wenn es ihnen
auch an gefälligem Schmuck keineswegs gebricht, mehr Ernst und Wucht verrathen.
Und ähnliche stilverwandte Merkmale zeigen die benachbarten Burgenbauten zu
Babenhausen, Seligenstadt, Büdingen und Münzenberg,, so dass es scheinen möchte,
als seien diese Architekturwerke sammt und sonders Schöpfungen einer und derselben
Palatial-Bauhütte, die um die Wende der letzten Jahrzehnte des 12. und der ersten
Dezennien des 13. Säkulums mit überraschenden Erfolgen thätig war, bald im Grossen
bald im Kleinen, theils in ernstem theils in zierlichem Formenausdruck des romanischen
Stilgesetzes.
Ludwig IV oder der Baier war der letzte deutsche Kaiser, welcher, (um 1346)
im Wimpfener Hohenstaufenschloss Hof hielt. Um diese Zeit erscheint die Kaiser-
pfalz urkundlich unter dem Namen Saal, später auch als aula, Hof. Im Jahre 1366
wurde das Gebäude kaiserlicher Gerichtssitz unter der Bezeichnung »das Kantgericht
su Wimpffen uff dem Sale.«*) Der Umstand, dass zwei Jahrhunderte später und
zwar in den Jahren 1540 und 1542 Ferdinand I nicht in der Kaiserpfalz, sondern
bei den Dominikanern im Kaiserb au (s. o. S. 128) Wohnung genommen, dürfte auf
den damals schon hereingebrochenen Verfall der Burg schliessen lassen. Der Ruin
nahm durch Verwahrlosung immer mehr überhand, zumal die Anwohner das ver-
lassene Prachtschloss, wie der Augenschein lehrt, als wohlfeilen Steinbruch für die
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*) L. Frohnhäuser S. 71.
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