142 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
übergehen und auf dem Abakus des Säulenkapitäles ihren gemeinsamen Ruhepunkt
finden. Die Arkaden sind mit Freilassung kleiner Oeffnungen vermauert. — Weiter-
hin folgt eine zweite geblendete Rundbogenarkade von ebenso beträchtlicher Ab-
messung, jedoch ohne Theilung und nur am Gewände von einfachen derben Rund-
stäben umzogen. — Ueber die Bestimmung der beiden räumlich auffallend entwickelten
Arkaden kann man verschiedener Meinung sein. Waren es Lichtöffnungen zur Er-
hellung von Treppenanlagen, die in den Palassaal führten? Oder standen sie mit der
möglicher Weise an den Palas anstossenden Kaiserkemnate im Zusammenhang, um
als Prachtfenster oder als Zugänge für Sölleranbauten zu dienen, die bei Herren-
burgen, namentlich an Stellen, wo der Blick in lachende Fluss- und Berglandschaften
schweift, nicht ungewöhnlich waren? Die Antwort ist nicht leicht. Wir unsererseits
bescheiden uns, diese Fragen offen zu lassen und nur weiter unten, bei Erörterung
der Burgkapelle, eine hypothetische Andeutung über den Gegenstand zu wagen.
In einiger Entfernung von der letztgenannten grossen Arkade lugt eine gekuppelte,
fensterartige Spitzbogenöffnung aus dem Mauerzug hervor, augenscheinlich ein Spät-
ling der Palatialarchitektur aus der Zeit des Stilwechsels von der Romanik zur Gothik.
Bevor wir den Palas verlassen, drängt sich noch eine Erwägung auf. Wäre
von der Kaiserpfalz nichts Anderes erhalten geblieben als die Ruine der Nordfront
des Palas mit ihrer kraftvollen Mauertechnik und ihrer reichen Arkatur: dieser Bau-
theil würde allein schon ein glänzendes Zeugniss dafür ablegen, dass die baulustigen
Hohenstaufenkaiser Willens waren, innerhalb der Wimpfener Pfalz einen dem An-
sehen ihres Herrschergeschlechtes würdigen Saalbau zu errichten, machtvoll in den
Verhältnissen, gediegen in technischer wie künstlerischer Ausführung und durch
stolze Grossräumigkeit wohl geeignet zum Empfang der Fürsten und Herren des
Reiches. Die Palasruine zeigt aber auch, dass die Verwirklichung des kaiserlichen
Beschlusses einem begabten, mit den besten Baugedanken erfüllten Meister anvertraut
war, und dass derselbe seine Aufgabe mit richtigem Sinn für Ebenmaass und Rhyth-
mus, vereint mit edler Formgebung zu lösen und seinem Werke das künstlerische
Wahrzeichen der Hohenstaufenära in grossartiger Stilbehandlung aufzuprägen wusste.
Die Palasfront spricht ferner für eine gründliche Baumaterialienkenntniss, die über-
haupt die Architekten der romanischen Stilepoche auszeichnet. Diese Meister im
Schurzfell gingen in solchem Betracht unstreitig sorgfältiger und vorsichtiger zu
Werke, als es von manchen ihrer heutigen Berufsgenossen zu geschehen pflegt. Sie
wählten nur gegen Steinfrass und Verwitterung widerstandsfähiges Gestein und
Se)
liessen niemals die weise Vorschrift des altrömischen Fachmannes Vitruv ausser
Acht: die für den Aussenbau und den architektonischen Schmuck bestimmten Werk-
stücke vor dem Gebrauch jahrelang im Wechsel der Atmosphäre zu erproben. Nur
so wird die Thatsache erklärbar, dass die Wimpfener Palasmauern und deren Arkatur
nahezu sieben Jahrhunderte überdauert haben und auch ferner der nagenden Zeit
Trotz zu bieten versprechen. Von diesem Monumentalwerke romanischer Architektur
lässt sich unbedenklich .behaupten, dass es — selbst die bedeutendsten Ueberreste
römischen Ursprunges nicht ausgenommen — Anspruch darauf hat, die riesenhaft
gewaltigste, technisch wuchtigste und zugleich künstlerisch imposanteste Steinwand
der Vorzeit im ganzen Umfang der hessischen Kunstzone zu sein.
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