Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

   
    
   
  
   
  
   
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
     
  
  
  
  
   
  
   
   
    
   
   
   
  
   
    
  
   
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WIMPFEN I]. TH. 219 
gier ein durch seinen trichterförmigen Hut als Jude gekennzeichnetes Individuum, das 
an einem Schwein saugt und das Ferkel vom Mutterthier wegstösst, während ander- 
seits ein über einem Frauenhaupt erscheinender bärtiger Männerkopf mit verzerrten 
Zügen als Symbol der Unlauterkeit gilt. Auch die statuengeschmückte Fialennische 
am Eckstrebepfeiler trägt zur dekorativen Wirkung des Bautheiles bei. 
Der aufmerksame Betrachter wird angesichts der theils schmucklosen theils 
dekorativ angehauchten Ostpartie unschwer herausfühlen, dass es sich hier mit dem 
Eintreten der Wirksamkeit des neuen Werkmeisters um eine wohlerwogene allmälige 
Steigerung des Formenausdruckes handelte, als Vorbereitung auf die volle Entfaltung 
der ihm zu Gebot stehenden künstlerischen Mittel an der Fassade des südlichen Quer- 
schiffes durch Vereinigung einer Fülle architektonischer Einzelformen mit zahlreichen 
Werken der Figurenplastik. Als solche Vorboten sind an der Ostpartie vornehm- 
lich die Rosettenmotive in der Fensterarchitektur, die gesäulten Fialennischen und 
die sie belebenden Statuen anzusehen, Faktoren, die nun am Aussenbau des südlichen 
Querschiffes in glänzender Weise zur Vollerscheinung gelangen sollten, Faktoren, 
die der Chronist Burchardus de Hallis in seinem Bericht als fenestrae, columnae 
und zcones sanctorum betont. 
Ist die Gruppe der östlichen Bautheile in der Gesammterscheinung von Chor, 
Thürmen, Nebenapsiden als eine Schöpfung von würdevollem Ernst und stiller Strenge 
zu rühmen, so darf die südliche Transseptfassade den Anspruch erheben, ein 
reiches, ja überreiches Prachtstück und die dekorativ belebte Schauseite des Stifts- 
münsters zu sein. (Fig. 125.) — Dass hier kein Gothiker deutscher Observanz sondern 
ein französich geschulter Werkmeister frei und unabhängig gewaltet, dafür spricht die 
ganze Anordnung und, man möchte sagen, jeder Meisselschlag. Vor Allem gibt sich 
die fremde Einwirkung durch den für die französiche Gothik charakteristischen 
Horizontalismus gegenüber dem in Deutschland ungleich mehr betonten Vertikalismus 
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zu erkennen. Dies geschieht theils durch Mehrung der den Bau umgürtenden Sims- 
bänder, theils durch neben und über einander geordnete Reihen von offenen oder 
geblendeten Arkaturen mit und ohne Statuenschmuck. An Stelle des Ernstes und 
der Strenge des deutschen Stiles, in welchem die Ornamentation dienend sich ver- 
hält, tritt jenes Schmuckwerk um seiner selbst willen auf, so dass die Mauerflächen 
vollständig damit bedeckt sind. Uebrigens ist einzuräumen, dass das Alles in glück- 
lichen Verhältnissen sowie mit Klarheit und Folgerichtigkeit durchgeführt ist. Diese 
Schmuckmotive und unter ihnen nicht zum mindesten die Säulung der Arkaturen 
und fialenbekrönten Statuenbaldachine geben Zeugniss von dem Eifer, womit der 
latomus die Kenntniss des französischen Stilidioms sich anzueignen bestrebt war; 
selbst am breitgelagerten Portal verläugnet er dieses Studium nicht. Sein deutsches 
Kunstnaturell blieb sich aber doch in einem Punkte treu, nämlich im Festhalten 
an der schlanken Lichtöffnung über dem Eingang, an welcher dominirenden Stelle 
die französische Gothik der Fensterrose den Vorzug zu geben pflegt. 
Der aus dem Gesammtbaukörper in einer Abmessung von 4,25 m hervor- 
tretende südliche Transseptflügel, dem die Fassade zu hoher Zierde gereicht, ist von 
je einem rechtwinklig zu einander stehenden Strebepfeilerpaar flankirt, das den viel- 
gestaltigen Bautheil gleich einem Rahmen nach beiden Seiten hin abschliesst. Die 
Südfassade 
Schauseite, 
Allgemeines 
Bau- und 
Schmuckformen 
  
  
  
   
	        
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