226 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
amtes sind hier Schlüssel und Schwert — ersterer im Sinn der Schriftstelle Dir
will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben, letzteres als Merkmal des für den
Glauben erlittenen Blutzeugentodes — untrügliche Attribute der Apostelfürsten
Apostel Petrus und Paulus. Die christlichen Heroen stehen auf spitz verlaufenden Krag-
steinen, deren Flächen über und über mit Gebilden der heimischen Flora bedeckt
sind. Fest, in selbstbewusster Kraft und trotz des leisen archaistischen Lächelns eine
gewisse Würde in der charaktervollen Haltung athmend, stehen die Gestalten da.
Die monumentale Wirkung würde zur Vollerscheinung kommen, wäre dem Künstler
nicht der seltsame Missgriff unterlaufen, die Bärte seiner Helden an den Nasenflügeln
beginnen zu lassen, wodurch etwas bedauerlich Unschönes, um nicht zu sagen
Grimassenhaftes, den Ernst des Ausdruckes in das gerade Gegentheil verkehrt. Un-
geachtet dieses gemeinsamen entstellenden Umstandes wird der aufmerksame Be-
trachter die zwischen den beiden Statuen selbst obwaltenden Licht- und Schattenseiten
wohl gegen einander abwägen und insbesondere die Feinheit der Meisselführung in
den Gesichtszügen des Apostels Petrus nicht übersehen, ebenso wenig wie die minder
| glückliche Modellirung im Antlitz des Apostels Paulus. Auffallend ist auch der
| Widerspruch in den kunstarchäologischen Typen der Apostel, insofern St. Petrus mit
dichtem Haargelock, St. Paulus hingegen mit spärlichem Haupthaar erscheint. Oder
sollte durch eine zufällige Verwechselung der Attribute — etwa bei einer Erneuerung,
beziehungsweise Schlimmbesserung der ehemals polychromirten Figuren — Petrus
zum Paulus und Paulus zum Petrus gestempelt worden sein? 3ei der Identität der
Bewegungsmotive von Armen und Händen der beiden Statuen ist ein solcher Wandel
der Attribute durchaus nicht technisch undenkbar.
Giebelstatuen Den plastischen Schmuck des Portalbaues vervollständigen drei Statuen,
die anstatt der sonst in der Gothik als krönende Ornamente üblichen Kreuzblumen
die Spitzen des Portalgiebels und der flankirenden Pfeilerfialen zieren. Die vielge-
schädigte Mittelfigur zeigt den auferstandenen Erlöser mit den Wundmalen an Händen
und Füssen. Die Linke liegt auf der Brustwunde; die Rechte ist segnend erhoben.
Ein faltenreicher Mantel umhüllt die Gestalt. Die Skulpturen auf den Fialenspitzen
stellen gewandete Himmelsboten mit Passionssymbolen dar. Der eine Engel trägt
Kreuz und Nägel, der andere die Dornenkrone und den wimpellosen Stab der Sieges-
fahne. — Nicht unerwähnt seien zwei Wasserspeier in Gestalt eines Hundes und eines
Widders, die aus den Winkeln zwischen dem Portalgiebel und den Fialenriesen
hervorlugen.
Arkatur Die Arkatur der Schauseite war ihrer ganzen Anordnung nach dazu bestimmt,
und Fialenstatuen . ” a ‘ R =? - .
eine Folge von sechs Heiligenstatuen in ihr Nischenwerk aufzunehmen. Allein
das Loos der Nichtvollendung des oberen Abschlusses der Fassade scheint auch die
geplante plastische Ausstattung in Mitleidenschaft gezogen zu haben, da nur zwei
Statuen vorhanden sind: der h. Martinus, wie er seinen Mantel mit dem Schwerte
theilt, um mit der einen Hälfte die Blösse eines zu Füssen des Heiligen kauernden
Nothleidenden zu bedecken, und die Figur eines königlichen Herrschers mit der Krone
auf dem Haupte, erhobener Rechten und in der Linken den Reichsapfel tragend:
vielleicht Kaiser Heinrich I, der Heilige, der Erbauer des Domes zu 3jamberg, noch
heute hochverehrt in den benachbarten fränkischen Gauen. In den gesäulten