Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
    
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
    
   
   
Innenbau, 
Allgemeines 
Chor 
2 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN 
um ein Horrendum aus der Welt zu schaffen und dem hehren Gotteshaus einen 
wesentlichen Theil seiner Würde zurückzugeben. 
An der Nordfront des Langhauses stimmen Sockel und Kaffgesims, Strebe- 
pfeiler und Fensterarchitektur mit der Südfront in der Hauptsache überein. Die 
Strebebögen sind sämmtlich neuen Ursprunges; sie deuten auf die Entstehung um 
die Mitte dieses Jahrhunderts, wo die moderne Gothik noch nicht überall auf der 
vollen Höhe richtiger Erkenntniss und reinen Nachempfindens der alten Kunst 
angelangt war. — Die Umfassungsmauer des Nebenschiffes zeigt zwischen den 
Strebepfeilern Spuren von Gewölberippen und Kragsteinen; es sind Ueberreste ehe- 
maliger Kapellen, die allem Anschein nach als Sepulkralkapellen errichtet und 
von dem als Stiftsfriedhof dienenden Kreuzgarten her zugänglich waren. Dem puri- 
stischen Unverstand, welchem bald nach der Säkularisation so Manches zum Opfer 
gefallen, scheint auch die malerische Gruppe dieser das Kreuzgangviereck ver- 
vollständigenden kleinen Heiligthümer 
ein Dorn im Auge gewesen zu sein. 
  
Am Aeusseren der Ritterstifts- 
kirche treten in Wiederholungen fol- 
gende Steinmetzzeichen*) auf: 
  
Betritt man das Innere der 
Stiftskirche von der Westseite her 
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und hat man das Befremdliche der schiefen Axenstellungen wovon S. 203 bei Er- 
örterung der allgemeinen Plananlage die Rede war — überwunden, so fühlt sich der 
Beschauer durch die Entfaltung der reinsten Formen des gothischen Stiles freudig be- 
rührt und er empfängt den Eindruck gemeinsamer Harmonie aller Theile eines reich 
gegliederten baulichen Ganzen, in dessen Einzelformen der nämliche Rhythmus nach 
klingt, der in den Hauptformen waltet und webt. (Fig. 131, 132, 133, 134.) Die Aus- 
führung überrascht durch die wohlabgewogene Sicherheit, womit die wesentlichen 
Strukturfaktoren und dekorativen Momente betont, alles Kleinliche, Unwirksame aber 
vermieden ist. Wir möchten die Gesammterscheinung des bewunderungswürdigen Innen- 
baues klassisch im Sinn des Hochvortrefflichen nennen, über das hinaus die künst- 
lerische Erfindungs- und Gestaltungskraft nicht höher reicht. Hier ist das Prinzip 
des Spitzbogenstiles mit grösster Folgerichtigkeit und Schönheit bis zur Verkörperung 
des Ideales entwickelt und durchgebildet. — Schade, dass der Eindruck des Erhabenen 
und Ergreifenden erheblich herabgestimmt wird durch den Zustand der Verwahr- 
losung des hehren Gotteshauses, durch die Uebertünchung der alten Wandgemälde 
und der Polychromirung sowie durch den Verlust des früheren magischen Licht- 
stromes bunter Glasmalereien figürlichen und ornamentalen Inhalts, ein Schmuck, an 
dessen Stelle theils um die Mitte des 18. theils im Beginn des 19. Jahrhunderts 
geringe noch vorhandene Spuren ausgenommen farblose Wände und gewöhnliche 
Fensterverglasung getreten sind. 
Der Chorraum 17 m hoch, Sm breit — besteht aus dem Chorhaupt 
und einem kleinen, nur die Breite der anliegenden Thürme messenden Vorchor, 
*) Diese und die weiter unten folgenden drei Gruppen Thalwimpfener Steinmetzzeichen ver- 
danken wir der Mittheilung des Hrn. C. Bronner. 
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