Thurm-Inneres
Loggien
272 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
bestimmung um 950 beansprucht werden kann: die Mitte der Ottonenära. Hier tritt
sonach der keineswegs seltene, vielmehr jede werdende Stilepoche, Antike wie Mittel-
alter kennzeichnende Fall ein, dass gar manche, der oberflächlichen Betrachtung
gleichgiltig dünkenden architektonischen Einzelformen für die Bestimmung des Zeit-
verhältnisses eines Baudenkmales zeugenhaften Werth besitzen.
Die Schieferhelme der beiden Thürme haben ungleiche Höhenabmessungen
und 'Gestaltungsverhältnisse. Der niedrigere Nordwesthelm baut sich in unge-
gliedertem Zuge auf, während der höhere Südwesthelm anfänglich in geringerem
‘rhebungswinkel ansetzt, dann in steiler Richtung emporsteigt und als hochstre-
bende Spitze ausklingt. Im 17. Jahrhundert fand eine Erneuerung der Bedachung
statt, wie die durchlochte Jahreszahl 1676 auf
dem Metallschweif des über dem
Thurmknopf angebrachten Wetterhahnes bezeugt.
Im Innern der durch steinerne Wendel-
treppen zugänglichen Thürme ist das Muschel-
kalkgestein in Form von wohlbehauenen kleinen
Werkstücken mit technischem Geschick verwen-
det. Die Geschossübergänge aus der Viereckform
in die Oktogongestalt werden durch Pendentif-
wölbungen von gediegener Struktur vermittelt:
Der die Thürme verbindende Zwischenbau öffnet sich nach dem Inneren der
Kirche in drei übereinander angeordneten Loggien, die von den Thurmtreppen aus
durch derbe Rundbogenpforten zugänglich sind. An den Seitenwänden dieser Ein-
bauten haben sich Ueberreste von gemalten Vegetativornamenten erhalten, unter
denen bewegt gezeichnete Blattgewinde und Rankenverschlingungen deutlich erkennbar
sind, während figürliche Motive infolge von Uebertünchung und Verwitterung nur
undeutliche Spuren hinterlassen haben. — Vor der Brüstung der unteren Loggia steht
ein altarähnlicher Aufbau mit Deckplatte in Form einer liturgischen Mensa. Die
drei Loggiengeschosse, von denen eines als Orgelbühne dient, erhielten eine Kr-
weiterung in nachgothischer Zeit, denn die Vorkragung ihrer Brüstungen umklammert
das letzte gothische Pfeilerpaar im Mittelschiff, sowie die daselbst zum Gewölbe empor-
strebenden Halbsäulen. Die Ausführung geschah in einer Formlosigkeit, um nicht
zu sagen Rohheit, die jeder genaueren Zeitbestimmung — ob 16. 17. 18. Jahrhundert
spottet und in kläglichem Gegensatz steht zur stilistischen Reinheit und erhabenen
Monumentalität des Gotteshauses.
Gleich den Thürmen ist die Giebelfassade in ihrem wichtigsten struktiven Be
stande ebenfalls romanischen Ursprunges. Das Portal jedoch gehört der Gothik an
und ist mit Ausnahme der schwachen Hohlkehlengliederung seiner Gewände von
äusserster Schlichtheit. Gothisch ist auch die hoch über dem Portal ansteigende,
zweitheilige, schlanke Lichtöffnung mit einem Dreipass als Maasswerk des Bogen-
schlusses, während der Fassadengiebel sammt der Steinumrandung des Zifferblattes
der Kirchenuhr modern ist. An den Seiten des gothischen Fensters bemerkt man am
Bewurf der Hochwand deutliche Merkmale eines ehedem daselbst angelehnten Giebel-
daches und darunter einen vermauerten, aus kräftigen Werkstücken gefügten, hohen
und breitgespannten Rundbogen, augenscheinlich der monumentale, einem arcus