Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

   
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WIMPFEN I. TH. 289 
In Vorstehendem haben wir versucht, dem Leser ein getreues Bild der Kunstherr- 
lichkeit und kunsthistorischen Bedeutung der Stiftskirche vor Augen zu führen. Ohne ein 
kurzes Nachwort können wir jedoch von dem altehrwürdigen Baudenkmalnicht scheiden. 
Die Kirche St. Peter zu Wimpfen im Thal ist ein Kleinod edelster Gothik, das 
um so sorgsamer behütet sein will, nachdem die zerstörende Zeit das Gebäude 
empfindlich geschädigt hat. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist zwar Manches zur 
Wiederherstellung unternommen worden, schlecht und gerecht, je nach dem Vermögen 
der Bauleute. Wir anerkennen den guten Willen und die guten Vorsätze, die dabei 
gewaltet haben, bedauern aber um so weniger, dass die damaligen Arbeiten in’s 
Stocken gerathen sind, nachdem inzwischen die Kenntniss der gothischen Bauformen 
an Bestimmtheit und die Erneuerung gothischer Bauwerke in technischem Betracht 
ungemein gewonnen hat. So, wie das Denkmal vor den Blicken der Welt dasteht, 
mahnt es noch immer daran, dass der Geist des alten Meisters trauernd über dem 
verwahrlosten Werke schwebt und zur Heilung der Wunden sowie zur Vollendung 
der unfertig gebliebenen Bautheile auffordert. Die Kunde, dass die längst beabsich- 
tigte Erneuerung und Fertigstellung ernstlich zur That werden soll, lässt die Herzen 
der Verehrer vaterländischer Kunst höher schlage. Die Meinungen der Kunstfreunde 
über das Wie sind jedoch getheilt und gehen weit auseinander. Die Einen — die 
Stilpuristen verlangen Entfernung der vorgothischen Bautheile zu Gunsten eines 
mit den Formen des Chores und des Langhauses übereinstimmenden gothischen 
Fassaden-Neubaues. Die Anderen — die in solchen Fragen konservativ denkenden 
und pietätvoll empfindenden Beurtheiler — stimmen entschieden für Beibehaltung der 
in würdiger Weise zu erneuernden romanischen Stirnseite, wobei jedoch, wie über- 
haupt am Aussenbau, das Bestreben darauf zu richten wäre, das ehrwürdige Aussehen, 
welches Zeit und Alter dem Bauwerk gegeben, möglichst zu erhalten und zu be- 
wahren. Denn alles Dasjenige, wodurch die Architektur älterer Jahrhunderte an dem 
Dasein jüngerer Bauschöpfungen mitbetheiligt ist und was vielen Generationen er- 
haltenswerth erschienen, darf berechtigten Anspruch auf Fortdauer erheben, besonders 
dann, wenn es einen wesentlichen Bestandtheil jüngerer Baudenkmäler ausmacht und 
den Eindruck des stilistisch und technisch Bedeutsamen im Entwickelungsgang der 
Architektur gewährt. 
Die Stunde einer richtigen Lösung der umstrittenen Aufgabe schlägt aber erst 
dann, wann der rechte Meister erscheint, will sagen, der im mittelaltrigen Kirchenbau 
und in der Kunst der Wiederherstellung mittelaltriger Sakralgebäude erprobte 
Meister. Denn kein einsichtsvoller Beurtheiler wird läugnen, dass es zur Zeit mit 
der Wiederherstellung alter Bauwerke, namentlich der Kirchen romanischen und 
gothischen Stiles, mitunter noch sehr zweifelhaft bestellt ist, zumal die gegenwärtige 
Strömung im Bereiche der Architektur weit mehr der leichter zu handhabenden Re- 
naissance und ihren Spielarten sich zuwendet als den gesetzmässig strengeren Bau- 
stilen des Mittelalters. Nur ein in der Gothik gründlich geschulter und darin heimisch 
gewordener Baukünstler wird darum imstande sein, die Erneuerung und den Ausbau 
des Thalwimpfener Gotteshauses im Geiste seines Urhebers in die richtigen Bahnen 
zu lenken und einem glücklichen Ziele entgegen zu führen, zur Bewunderung und 
Kreude von Mit- und Nachwelt. 
     
  
   
   
   
   
   
   
   
  
   
   
    
     
    
   
   
    
   
    
   
   
    
  
   
    
   
   
   
   
   
  
   
    
    
  
   
	        
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