WIMPFEN A. B.
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Brust liegenden Rechten; in der Linken trägt er den Giftpokal. Im zweiten Figuren-
paare schreitet St. Christoph heftig bewegt durch ein Gewässer und richtet den Blick
aufwärts zu dem auf seiner Schulter ruhenden, die Weltkugel hoch emporhaltenden
Jesuskind. Mit der in die Seite gestemmten Linken hat der Heilige sein Gewand bis
zu den Knieen aufgeschürzt; ein junger Baumstamm in der rechten Hand dient ihm
als Stütze auf der Wanderung durch den reissenden Fluss. St. Theobald (die Lesart
St. Leopold würde nicht zu den Episkopalattributen stimmen) erscheint als Bischof
mit der Mitra auf dem Haupt, das Evangeliar und den Hirtenstab mit dem Sudarium
in den Händen. Mit Ausnahme St. Theobald’s sind diese Figuren baarhäuptig und
tragen frei geringeltes Lockenhaar; ihre Gewänder zeigen ebenfalls den brüchigen
Faltenwurf, welcher in der
herrschend war.
Wiederum von einem
Bildkunst der Zeit nicht selten bis zum Geschmacklosen
anderen Meister, jedoch ebenfalls aus dem Stadium des
Ueberganges vom 15. in’s 16. Jahrhundert, stammt ein in der gewöhnlich verschlossenen
Altarpredella befindliches, zwar kleines, aber kunstgeschichtlich wie künstlerisch be-
achtenswerthes, holzplastisches, auf Figur 10 mitabgebildetes Werk.
Es ist eine den
Reinigungsort, das Fegfeuer, versinnlichende Gruppendarstellung, die augenscheinlich
im Zusammenhang steht mit dem im Altarschrein durch die Pietas angedeuteten
Erlösungswerk.
Wir sehen zwei Reihen von 25 Centimeter hohen Figürchen. Die
vordere Reihe enthält sechs, die hintere Reihe fünf meist ungewandete, von züngelnden
HKlammen umfluthete Gestalten mit gemalter Karnation. In theils inbrünstig betender,
theils angstvoll flehender Haltung und die Hände ringend, bringen sie die mannig-
fachsten Affekte am Orte der Läuterung zur Vollerscheinung. Wie befremdend auch
die drastische Auffassung das moderne kritische Auge berühren mag, so wird sich
dem unbefangenen Beschauer gleichwohl die Ueberzeugung aufdräneen. dass der
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Künstler dieser hochbewegten figurenreichen Gruppe über eine ungewöhnliche Kraft
dramatischen Talentes verfügte, wie nicht leicht ein anderer Plastiker der gleichen
Zeit und des gleichen Stoffkreises.
Die wogenden Flammen haben auf dem Hinter-
grund eine malerische Fortsetzung gefunden, die viel jünger ist und keinen Anspruch
auf künstlerische Werthschätzung besitzt.
Der Umstand, dass die Gruppe aus einem
Stück herausgemeisselt sein soll, mag handwerkliches Interesse erregen, künstlerisch
ist er ohne Belang.
Die bildliche Ausstattung der Aussenseiten der beiden Flügel, also bei ge-
schlossenem Altarschrein, blieb der Malerei vorbehalten. Die Tafeln zeigen die lebens-
grossen Figuren des h. Johannes Baptista und des h. Urban. Ungewöhnlich ausge-
dehnte Goldnimben umstrahlen die Häupter der kraftvollen Gestalten; dahinter stehen
auf Spruchbändern die Namen der Dargestellten in folgender Fassung: SANCT JO-
HANNES BAPTISTA und SANCT VRBANVS 1519. Der Täufer ist von lebhafter
dramatischer Bewegung erfüllt; seine Lenden umhüllt das herkömmliche Fell des
Wüstenanachoreten; von seinen Schultern wallt ein grüner, roth ausgeschlagener
Mantel herab; die Hände tragen das Evangelienbuch und das darauf ruhende symbo-
lische Opferlamm mit der Siegesfahne; ein um das Evangeliar geschlungenes Spruchband
enthält die Worte: ECCE AGNUS DEI, Siehe das Lamm Gottes. Im Kompositio-
nellen der Johannesfigur sind leise Einwirkungen der Renaissance unverkennbar; deut-