WIMPFEN A. B. 51
jugendliche Frau sind in aller Ruhe Zeugen des abstossenden Vorganges. Im Mittel-
grund der Felslandschaft steht ein Hirte sorglos bei seinen Lämmern. Es hiesse dem
Anachronismus des mittelaltrigen Kunstschaffens zu viel zumuthen, wollte man im
Zusammenhang mit dem im Jahre 307 stattgefundenen Martyrium der h. Katharina
(wie es thatsächlich geschehen) die Hirtengestalt als St. Wendelin erklären, welcher,
ein schottischer Königssohn, dem Glanz des Hoflebens sich entzog, um Schäfer zu
werden und im Jahre 1015 als Abt eines in der Nähe von Trier gelegenen Klosters
starb. Weiterhin in der Landschaft erscheint St. Quirin abermals, wie er ohne
Hände und Füsse auf den Knieen liegt und vom Henker den tödtlichen Schwert-
streich empfängt. — Im Martyrium der h. Katharina ist der Schilderungston ebenfalls
naturalistisch, aber ungleich maassvoller als im vorigen Relief und durch Einführung
der Legende sogar von einem poetischen Zug begleitet. Die Heilige, eine vornehme
Gestalt in kostbaren Gewändern, ist in die Kniee gesunken. Reiches Lockenhaar
quillt unter dem stilisirten Diadem hervor. Der Augenblick ist gekommen, wo die
Martyrin den Tod durch Enthauptung erleidet, nachdem andere Qualen, auf welche
u. a. das zerbrochene Folterrad hindeutet, ihrem Leben nichts anhaben konnten.
Zwei Personen, die eine barhäuptig, die andere mit einem Turban bedeckt, sind
Zuschauer der Hinrichtung. In der Landschaft steht ein offener Sarkophag und
darüber wird eine Engelgruppe sichtbar, welche die in Silberbrokat gehüllte Leiche
der Heiligen durch die Lüfte nach dem Berge Sinai trägt. Ein Landmann im Neben-
grund hat das Haupt entblösst und sieht dem wunderbaren Vorgang staunend zu.
Auch dieser Landmann musste sich die Deutung als St. Wendelin gefallen lassen:
er ist es ebenso wenig wie der Hirte auf dem Quirinusrelief. Den beiden Figuren
kommt keine andere Rolle zu als die einer belebenden Staffage in der öden Felsland-
schaft. Stammt das Relieftafelpaar wirklich von dem gleichen Holzplastiker wie
die Statuen des Altarschreines in welchem Betracht wir jedoch Zweifel hegen und
eher auf die Arbeit eines Gehilfen zu schliessen geneigt sind — so bedarf es kaum
der Erwähnung, dass der Bildner das Relief kompositionell wie technisch weit weniger
beherrschte als die Rundfigur.
Bei geschlossenem Altarschrein (Fig. 27) erscheinen auf dessen Aussen.
seiten vier Tafelgemälde mit 1 bis 1,290 m hohen Figuren. Der h. Quirinus und die
h. Katharina zieren die Flügel des Altares: der h. Stephanus und der h. Gregorius
schmücken die Verlängerungen der Rückwand des Schreines. Die Dargestellten
tragen goldene Nimben über ihren Häuptern und heben sich von blauen Hinter-
gründen in einer luftig gemalten Bogenarchitektur ab, die von goldenen, aus poly-
gonal gegliederten Basamenten aufschliessenden schlanken Säulen getragen wird.
Ueber den Säulenkapitälen wölben sich Rundarkaden, deren ebenfalls goldene
Ornamentation in der charakteristischen Durchdringung von figürlichen und vege-
tativen Ziermotiven den spätestgothischen, schon von der Renaissance angewehten
Ursprung bekundet. Die Gestalt des h. Quirinus tritt hier in einem Goldharnisch
auf, an welchem zwar die ältere Brünne, das Ringhemd, noch beibehalten und am
Halse sichtbar ist; dagegen deuten Lendner und Ellbogenkapseln der Plattenrüstung
auf die Schlusszeit des Mittelalters hin. In der Rechten trägt der Heilige einen rothen
mit neun goldenen Kugeln besetzten Schild; auch das Banner in der Linken enthält