64 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Struktiven durch Uebermaass und Schwulst der Dekoration wie sonst an Barock-
leistungen dieser Gattung, u. a. an der Kanzel der Wimpfener Dominikanerkirche,
deren Erörterung weiter unten folgt. Der ganze Aufbau des Kanzelbaldachins der
Stadtkirche, vom Schallrand angefangen bis zur pyramidal verlaufenden Spitze,
vollzieht sich in wohlgeregelten, reinen Linien. Nichts lastet, nichts drückt. Die in
den gothischen Kanzelbestandtheilen vorgezeichnete Polygontheilung ist in mässiger
Betonung beibehalten und äussert sich struktiv durch feine rhythmische Gliederung
der Simszüge, dekorativ durch die darin angebrachten, im Barocco besonders beliebten
geflügelten Seraphköpfe. Freischwebende Fruchtschnüre hängen an zierlichen Gold-
bändern vom Simssaum herab. Die Ornamentation des oberen Baldachinrandes be-
steht in Büsten zierlicher Putten, die aus Akanthusgewinden hervorwachsen, während
letzere nach oben zwischen Vasengebilden sich ausranken. Darüber steigen geschmiegte
Streben empor, die am Schalldeckel als Delphine ansetzen und in geflügelte Genien
übergehen, deren Schwingen sich zusammenschliessen und ein Podium tragen, auf
welchem eine lebhaft bewegte, nur im Figürlichen leider nicht besonders gelungene
Statuette des auferstandenen Heilandes mit der Siegesfahne das Ganze beherrscht
und abschliesst. Das Innere des Baldachins ist ebenfalls strucktiv gegliedert und mit
Rosetten und Palmen strahlenförmig ornamentirt. An der Mittelrosette erscheint
freischwebend die Taube, das Symbol der dritten Person der Trinität. Darunter ist
an der Rückwand ein von Engeln flankirtes bürgerliches Allianzwappen angebracht.
Der Schild rechts enthält als Hausmarke einen geschlossenen Helm und darüber eine
bärtige Figur, die in der ausgestreckten Rechten einen Stern trägt. Im Schild links
sieht man einen mit Bogen und Pfeil bewehrten Mohren und dessen Wieder- S
M
H.
holung über einem Helm zwischen einem Büffelhornpaar nebst den Stifterinitialen
Auch die trefflichen schmiedeisernen Baldachinhalter verdienen Erwähnung.
_ [Lässt man den Kanzelbau in seiner Gesammtheit auf sich wirken, so wird man den
Zwiespalt des Formenausdruckes allerdings nur schwer überwinden. Und doch waltet
darin, eine gewisse, den Kunsthistoriker fesselnde Stilparallele: das Ausleben der
Gothik in Kanzelfuss und Kanzelbrüstung, und das Ausleben der Hochrenaissance in
den Formen des Baldachins.
Dee Das Orgelgehäuse auf der Empore gehört nach Aufbau und Verzierungs-
._ en weise der Barockära an. Es besteht aus fünf vortretenden Hauptparthieen und vier
dazwischen liegenden, einwärts gezogenen Abtheilungen , welche überreich mit ge-
schwungenen Simszügen und geschnitzten Ornamenten bedeckt sind. Am mittleren
Simszug prunkt in strotzender Umrahmung als Wimpfener Wappen ein unheraldischer
einköpfiger Adler auf silbernem Grund, flankirt von einem musicirenden Genien-
paar und überragt von der Krone des alten deutschen Reiches. — In der Arkaden-
halle der Empore stehen zwei Reihen Ehrensitze, deren holzplastische Relief-
verzierungen mit naturalistischem Astwerk späthgothischen Ursprung bekunden.
Nördliche Von den beiden Seitenkapellen des Langhaus-Inneren kommt der nörd-
ee Lich en, in räumlichem wie künstlerischem Betracht, die grössere Bedeutung zu.
Ihre Abmessungen sind: 550 m Länge, 3 m Breite, © m Höhe. Die Kapelle liegt
einige Stufen über dem Fussboden des Hallenkomplexes der drei Schiffe, öffnet
sich nach letzteren mit zwei Arkaden und erhält ihr Licht durch ein schon bei