Seeheim
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Auffällig und unerklärt find an den Oftkanten, in der Mitte des mittleren Stock-
werkes, die beiden fporenartigen Steinanfäge.
An der Südfeite öffnet der Turm fich unten mit einem [Chönen fpätgotifchen Maß-
werkfenfter, das zweiteilig, zweiläufig, beiderfeits mit Dreipaß und darüberliegender
Fifchblafe gebildet ift. Dasfelbe Fenfter, mit ausgebrochenem Maß-
werk, befindet fich auch in der Mitte der Oftwand des Turmes; feine
Sohle bildet hier den geraden Sturz der neueren, fChlichten Tür.
Diefe Tür wird 1819/20 angelegt fein; ihre im Biedermeierftil aus-
gebildeten Flügel laffen darauf fchließen. In der oberen Hälfte des
zweiten Gefchoffes fit auf den drei freien Turmfeiten je ein
Doppelfenfterchen mit Mittelfäulchen (Kapitäl: doppelter Torus
unter dem Abakus) in flachen Mauernifchen. Die Fenfterbogen find
gefpittt und leicht geftelzt; die beiden rahmenden Bogen der Nifche
find halbkreisrund; fie laufen in der Mitte, über dem Säulchen,
ohne Konfole in die Mauer hinein. Auf der Südfeite ift das Säulchen
herausgebrochen. Man muß danach die Turmanlage bis zur Höhe
des gefchieferten Stockwerkes für etwas älter halten als das anfchei-
nend fpäter durchgebrochene gotifche Fenfter im Erdgefchoß.
Ausftattung: Der vor der Kanzelwand ftehende Altar ift ein einfacher brauner
Holzkaften.
Kanzel. Der einfache Kaften ift weiß lackiert mit vergoldeten Leiften; er fteht auf
einem korinthifierenden Pilafter, der den Verfchlag der dahinterftehenden Kanzel-
treppe dekoriert.
Der Taufftein zeigt über einer glattzylindrifchen, durch eine Eifentülle gehaltene
Stüge ein geriefeltes Becken und trägt einen fchwarzmarmorierten Anftrich. Am
Rande des Beckens fteht die Zahl 1580.
Die kleine Orgel zeigt ein paar fchlichte Rokoko-
ornamente. Die Form der engen, unbequemen Kir-
chenbänke ift roh; das Geftühl wird durch einen
fehr breiten Mittelgang getrennt. Die Emporen-
brüftung ift eine formlofe Bretterwand. An der
weftlichen hängt ein fehr mäßiges Lutherbildnis. In
der Loge und in der nördlich angebauten Kapelle
ftehen im ganzen acht fehr fchöne Empireftühle mit
altem föhwarzem Bezug.
Zwei Mef/fingleuchter und einen gußeifernen
Kruzifixus ftiftete 1856 die Prinzeffin Karl von
Heffen. Auf dem Kirchboden hängt ein alter, ein-
facher eiferner Kronleuchter für Kerzen.
Sämtliche Fenfter find farblos verglaft; in das öft-
lichfte Fenfter der Nordwand ift eine Bildfiheibe
Abb.255. Seeheim.
Kirche. Taufftein
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Abb. 256. Seeheim. Kirche. (40><51,5 cm) eingefegt. Die Malerei bildet zwei
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ee Heilige ab: einen mit Bifchofsftab und -Müte, der
auf feiner Linken ein zweitürmiges Kirchenmodell trägt, und einen heiligen Sebaftian;
diefer zeigt in Kopf und Oberkörper kräftige rundliche Renaiffanceformen. Die
Farben find, außer der Schwarzlotzeichnung, viel Gelb, Blau, Rot, etwas Pfaugrün.
Die Unterfchrift, in gotifchen Minuskeln, lautet: - hans - berckftreßer. Die Malerei
ftammt aus dem 16. oder ganz frühen 17. Jahrhundert (1882 follen noch zwei andere