Alte Kapelle
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des Lorfcher Chroniften trogdem Billung nicht dem Zorn des Himmels und fand
ein klägliches Ende.
Noch vor dem Untergang der Abtei war außer anderen Befigungen auch Zell in
andere Hände übergegangen. Es erfcheint fpäter als pfälzifches Lehen der Herren
von Erbach, ohne daß das Erzbistum Mainz als Rechtsnachfolger des Klofters Lorfch
darauf Anfprüche erhebt. Von dem Haufe Erbach kommt es 1806 an Heffen.
Die hohe Gerichtsbarkeit über Zell ftand bis zu diefer Zeit dem Zentgericht auf
dem Landberg bei Heppenheim zu, die niedere den Herren und Grafen von Erbach,
die auch einen Teil des Zehnten und verfchiedene Gefälle befaßen. Von ihnen trugen
wieder die Herren von Habern einen Teil des Zehnten zu Lehen und die Herren
von Rofenbach und die Haberkorne von Zellingen ein Höfchen (Simon,
S. 143 und Urk. Nr. 216).
Ein anderer Teil des Zehnten ftand Kurpfalz zu. Von Ruprecht (1398 —1400) er-
hält ein Werner Gauwer von Heppenheim Teile am Zehnten zu Zelle bei Bensheim
(Reichsarch. München, Reg. d. Pfalzgr. 6376). Im 18. Jahrhundert gehörte fogar der
ganze Zehnte der Pfalz.
Aber auch Mainz, bezw. der Propft von Lorfch, hatte dort noch Befigungen. Erwähnt
wird ein Kapellhof bei Zell — offenbar der Hof, mit dem einft Billung die Kapelle
dotiert hatte —, dem 1454 von der Pfalz Zehntfreiheit zugefichert wird (Scriba,
Reg. 1763; Dahl, Lorfch. Urk. S. 49 Nr. 9).
In kirchlicher Hinficht gehörte Zell, wie auch Elmshaufen, Wilmshaufen und das
Dorf Schönberg, zur Pfarrei Bensheim, und dies blieb fo felbft nach der Einführung
der Reformation und bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts.
Dadurch wurden Zuftände gefchaffen, die heute für uns unbegreiflich find. Aller-
dings trat Zell mit der Einführung der Reformation in ein Filialverhältnis zu Gronau,
aber dies war nur ein fehr kümmerliches. Denn hier fowohl wie in den Filialen Schön-
berg und Wilmshaufen blieben mit Ausnahme des Schulhaufes alle Einwohner troß
ihres lutherifchen Glaubens in die katholifche Pfarrei Bensheim eingepfarrt. Allewurden
von dem katholifchen Geiftlichen getauft, kopuliert und im Alter von fechs Wochen
bis zu elf Jahren von dem katholifchen Priefter, von dem elften Jahre an aber von dem
Zeller Schullehrer auf dem katholifchen Friedhof in Bensheim beerdigt, während fie
für Predigt, Konfirmation und Abendmahl Gronau zugewiefen waren. Diefen un-
glaublichen Zuftänden wurde erft 1825 ein Ende gemacht (Chronik der Pfarrei
Gronau; vgl. auch Dahl, Lorfch S. 39 und 198).
Aber bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts veranftaltete der Pfarrer
zu Bensheim zur Wahrung des alten Pfarr- und Kirchenbefiges alljährlich am Tage
St. Peter und Paul (29. Juni) eine feierliche Prozeffion zu den Ruinen des alten Kirch-
leins. Der löbliche Gemeinderat von Zell pflegte dann der Prozeffion bis an die Gemar-
kungsgrenze entgegenzuziehen und die feierliche Erklärung abzugeben: „Wir prote-
fiieren!“ Darauf antwortete der katholifche Geiftliche: „Und wir bleiben bei unferem
Recht!“ Damit war der Form genügt, der Gemeinderat fchloß fich nun der Prozeffion
an, und der Priefter hielt an der verfallenen Kapelle einen Gottesdienft mit Predigt ab.
DIE ALTE KAPELLE in Zell war nach einem Eintrag im Necrol. Lauresh. dem
heiligen Michael geweiht und ftand hinter dem jegigen Rathaus. Seit der Reformation
eing fie ihrem Verfall entgegen, im Jahre 1842 wurde fie abgebrochen, die legten
Refte 1855 entfernt. Heute find von der ehemaligen Kapelle nur noch einige nicht
deutbare Mauerrefte vorhanden. Taufftein: fiehe Bensheim.