Full text: Die Kunstdenkmäler des Kreises Bensheim (A, [4])

  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
   
  
  
  
280 
  
Zwingenberg 
Willen und Entfchluß des Grundherrn entfprechende Anlage. Es fpringt fofort in die 
Augen, daß der Gefamtplan in zwei annähernd rechteckige Hälften zerfällt, eine öft- 
liche, beinahe quadratifche, und eine weftliche, mehr längliche, offenbar die jüngere 
und eine Erweiterung der erfteren. In der öftlichen auf dem Berge gelegenen Hälfte 
fehen wir die ältefte Befeftigung mit Türmen an den vier Ecken und der Vor- und 
Unterburg im Südweften, dem alten „Getwinc“, das den „Paß“ beherrfchte. An der 
Südoftecke, an der Stelle des jegigen Speicherkellers, lag „die alte Burg“. Auf dem 
Burgberg erbaute Diether III. auch die im Jahre 1258 bewilligte Kirche. 
Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die fpätere Erweiterung der alten, 
kleinen Befeftigung, die Erbauung des Kagenelnbogenfchen Schloffes, überhaupt die 
Erhebung des bisher unbedeutenden Ortes zur Stadt, diefem tatkräftigen, entfchloffenen 
und ftaatsklugen Grafen zu verdanken ift. Gerade die Zeit der größten Verwirrung 
Deutfchlands während des fogenannten Interregnums wußte Diether III. zu feinem 
Vorteil aufs befte auszunugen. Sowohl die Gunft König Wilhelms von Holland wie 
die Richards von Kornwallis verftand er in dem Maße zu gewinnen, daß fie ihm bei 
feinen Unternehmungen nicht nur nicht hinderlich waren, fondern fogar noch Reichs- 
gut als Lehen überließen. So konnte er ungeftört den Bau des Schloffes Rheinfels 
beginnen und trog des Widerfpruchs der Städte die Rheinzölle erhöhen, fo erweiterte 
er auch Zwingenberg, baute es zur Feftung aus, verfChaffte ihm eine eigene Kirche 
und erlangte bald nach dem Regierungsantritt Rudolfs I., deffen Krönung in Aachen 
er beiwohnte, von dem König das Marktprivilegium. 
Die Anlage der neuen Befeftigung entfprach dem in jener Zeit allgemein üblichen 
Syftem. Der Grundriß hat, wie erwähnt, eine rechteckige Geftalt. Die Hauptheer- 
firaße, ein Teil der alten Bergftraße, bildet die natürliche Mittelachfe (Obergaffe 
oder „alter Paß“). Bei ihrem Eintritt in die Stadt im Süden wird fie durch das Ober- 
tor gefperrt, bei ihrem Austritt im Norden durch das Untertor. An fie gliederten fich 
die Seitenftraßen wohl rippenförmig an. Aus dem jetigen Plan ift dies allerdings 
nicht mehr erkennbar, da diefer die fpätere Straßenanlage nach dem großen Brande 
vom Jahre 1693 darftellt, durch den die Stadt faft völlig eingeäfchert wurde. Jeden- 
falls fpielte die Untergaffe nur eine untergeordnete Rolle und war, wie ausdrücklich 
erwähnt wird, viel [f&hmäler als die Obergaffe. An der Obergaffe, der Hauptftraße, 
lag auch das alte Rathaus mit dem Stadtbrunnen und dem alten Marktplag. Diefer 
war auffallend klein, muß aber den damaligen Bedürfniffen entfprochen haben, bis im 
Anfang des 17. Jahrhunderts der jegige Marktpla& angelegt wurde. 
Auf der Weftfeite befand fich im Anfchluß an den Burggraben des Schloffes der 
Stadtgraben, der fich ein Stück auch auf der Nordfeite fortfegte. Dort führte eine 
Brücke über ihn zum Untertor, wie auf dem Merianfchen Bild noch deutlich erfichtlich 
ift (Topographia Haffiae, 1655 S. 150). 
Die Stadtmauer, am beften noch auf der Südfeite und einem Teil der Weftfeite an 
der Untergaffe erhalten, war etwa 1,70 m ftark und mit Wehrgang und Brüftung ver- 
fehen. Der an der Nordoftecke ftehende Turm, die fogenannte Aul, ift noch in der 
Geftalt erhalten, die er im 16. Jahrhundert hatte. An der Stelle der jegigen Durch- 
fahrt befand fich bis 1818 eine kleine Schlupfpforte. Der Unterbau des füdöftlichen 
Turmes ift ebenfalls noch deutlich erkennbar. Von dem alten Katenelnbogenfchen 
Schloß ift noch der mächtige Unterbau eines Turmes und ein Teil der Umfaffungs- 
mauer erhalten. Von den Toren find nur noch Refte der Fundamente nachzuweifen. 
In ihrer Nähe wurde fpäter außerhalb der Stadtmauer je ein Wachthaus errichtet, 
deren eines, das füdliche, ein Gefängnis, die Begenftube, enthielt. 
   
  
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.