Full text: Die Kunstdenkmäler des Kreises Bensheim (A, [4])

    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
296 Anhang 
wie die Fraa von Bensum“. Offenbar geht diefe aber auf den den Bensheimern fchon feit 
| alter Zeit — nachweisbar fchon im Anfang des 16. Jahrhunderts — gemachten Vorwurf 
zurück, daß fie alle Zeit „hinne nach“ oder „hinne her“, d.h. zu [pät kämen; vgl. auch 
Diehl, 1. c. S.60. Nachdem die Bayern die Stadt genommen hatten, verhängten auch fie | 
über die unglücklichen Bewohner eine rückfichtslofe Plünderung. In der Dunkelheit der 
| Nacht wurden Strohfackeln benugt, wodurch ein Teil der Gebäude, die auf der Stelle des 
| zehn Jahre fpäter erbauten Kapuzinerklofters ftanden, — der alte Rodenfteiner Hof und 
I der Hof der Judde vom Stein —, eingeäfchert wurden. Zu gleicher Zeit gingen auch etwa 
zwanzig Häufer auf der linken Seite des Lauterbaches außerhalb der Stadtmauern in Flammen 
| auf. Auf dem von Merian 1643 entworfenen Stadtbild ift diefe öftliche Vorftadt noch zu 
| fehen. Auch während der Kriege Ludwigs XIV. blieb die Bergftraße nicht verfchont. Am 
Il) fchlimmften erging es Land und Leuten im Orleansfchen Krieg (1688 — 1697). Gleich im 
I erften Kriegsjahr überfchwemmten die franzöfifchen Heere nicht nur die unglückliche Pfalz, 
fondern auch die heffifchen und kurmainzifchen Gebiete am Rhein und an der Bergftraße. 
Anfangs foll Bensheim verfchont worden fein, weil ein franzöfifcher General im Kapuziner- 
klofter krank lag und fich forgfältiger Pflege zu erfreuen hatte. Aber bald begannen die 
| Drangfale und Brandfchagungen. 1693 ging Zwingenberg in Flammen auf, Heppenheim 
| wurde zum Teil niedergebrannt, die Bensheimer fuchten auf der Flucht ihr Heil. Das 
| Hausmanual des J. M. Blefinger (Bensheimer Archiv) berichtet von diefem Jahr: „In der 
| Erntezeit waren nicht über 40 Menfchen hier geblieben, alles mit Sack und Pack in den 
II) | Odenwald bis nach Afchaffenburg geflohen.“ Dorthin hatte man fchon vorher die herrfchaft- 
||| lichen Dokumente geflüchtet, fpäter aber zur größeren Sicherheit nach Dieburg gebracht. 
Der Propfthof wurde von den Franzofen ausgeplündert. Im 18. Jahrhundert brachten der 
fpanifche, der polnifche und der öfterreichifche Erbfolgekrieg neue Leiden und Drangfale 
durch Freund und Feind, ebenfo der fiebenjährige Krieg. Vom Jahr 1745 fchreibt der er- 
wähnte Bensheimer Chronift: „Die Deutfchen haben fo übel gehauft wie die Franzofen. 
Wir haben geben müffen Heu, Hafer, Brot und Beieffen mehr als den Franzofen.“ Während 
I der Jahre 1757 —1760 wurde eine außerordentliche Kriegsfteuer von je 3576 Gulden erhoben. 
Il) Am drückendften aber wurden für die Stadt die Revolutions- und napoleonifchen Kriege. 
Il Die Aufwendungen für Fouragelieferungen an die Feftungen und Magazine zu Mainz, Mann- 
IN | heim, Heppenheim und Weinheim, für endlofe Einquartierungen und Kriegsfuhren, für die 
I Stellung von Paliffaden und Schanzarbeitern nach Mannheim und andere Leiftungen erreichten 
eine beifpiellofe Höhe und konnten nur durch große Anleihen bei Stiftungen und reichen 
Privatleuten gedeckt werden. Während in den Jahren 1793 und 1794 die Kriegskoften fich 
auf 3675 fl. beliefen, ftiegen fie 1796 auf 26307 fl. und wuchfen 1797 auf 45415 fl. an. Die 
Stadt war in diefem Jahr genötigt, 39595 fl. an Kapitalien aufzunehmen; das übrige mußte 
die Stadtkaffe zufchießen. Die Rückvergütungen waren ganz unbedeutend und betrugen nur i 
906 fl. (aus den Kriegskoftenrechnungen im ftädtifchen Archiv). Der Wambolter Hof und 
das Rathaus waren zeitweife mit Verwundeten und Kranken überfüllt. Im erfteren fchlug 
ll man die Dachziegel hinaus, um Luft zu fchaffen. Hunderte von eingegangenen Militär- 
| pferden wurden auf Stadtkoften verfcharrt. Auch während der napoleonifchen und Freiheits- 
kriege hörten die Kriegslaften nicht auf. 
6. Die Stadtverfaffung. Wie erwähnt, erhielt Bensheim 1320 die Rechte einer Stadt. 
Hinfichtlich der Juftiz und Verwaltung gehörte es zum Oberamt Starkenburg, das bis 1782 
die Kellereien Heppenheim, Bensheim nebft der Oberf[chaffnerei Lorfch und feit 1699 die 
Kellerei Hirfchhorn umfaßte. Im Jahre 1782 fand eine Neueinteilung des Amtes ftatt. 
Die Oberfchaffnerei Lorfch wurde aufgehoben und die ehemaligen Kloftergüter den neu- 
errichteten Unterämtern oder Amtsvogteien Heppenheim, Bensheim, Lorfch und Fürth zu- 
gewiefen (der Lorfcher Oberfchaffner hatte fchon feit 1624 feinen Sit in Bensheim, 1782 
wurde die alte Amtskellerei in der Vorftadt verkauft, und der Amtskeller erhielt die bis- 
herige Oberfchaffnerei, den früheren Klofter- oder Propfthof, als Amtsfitz, 1824 wurde auch 
diefer verkauft). Diefe Organifation blieb beftehen bis zum Jahre 1805. Die hohe Gerichts- 
barkeit ftand den Burggrafen — feit 1782 Oberamtmännern — von Starkenburg zu (Appel- 
lation an das kurfürftliche Hofgericht zu Mainz, in pfälzifcher Zeit an das Hofgericht zu 
Heidelberg). Die niedere Gerichtsbarkeit übte im Namen der Grundherren der Stadt- 
fehultheiß aus. Nach dem Jurisdiktionalbuch vom Jahre 1668 wurden „von altersher“ jährlich 
vier Stadtgerichte abgehalten, welche mit vierzehn Schöffen befegt waren (mit der Neu- 
organifation vom Jahre 1782 wurde das Amt der Stadtfchultheißen aufgehoben. Deren 
Gerichtsbarkeit übten nun die Amtsvögte aus. Dem neu eingeführten Ratsfchultheiß blieb 
nur eine ganz geringe bürgerliche Jurisdiktion). Unbedeutende Sachen, wie Feld- und Forft- 
frevel, Beleidigungen und dergleichen waren fchon frühe der Jurisdiktion des Stadtrates 
überlaffen worden. Diefer beftand aus fünfzehn Ratsverwandten einfchließlich der beiden 
| Bürgermeifter. Die Ratsmitglieder wurden vom Rat aus der Bürgerfchaft gewählt, dem Burg- 
| grafen zur Beftätigung vorgefchlagen und von dem Schultheiß verpflichtet. Vom Rat wurden 
| auch der Stadt[chreiber und die zahlreichen Stadtdiener — letgtere jährlich um Martini — 
| angenommen und in ihren Dienft eingewiefen. 
  
  
  
  
	        
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