Full text: Kreis Worms ([B, 1])

   
Oeffentliche 
Gebäude 
Privatbauten 
Befestigter 
Friedhof 
KREIS WORMS 
vermauerte Fenster gebrochen. Vier in den Hauptaxen liegende Seiten der drei 
achteckigen Stockwerke des Turms haben ein grosses fast die ganze Wandbreite 
und Höhe des Stockwerks ausfüllendes Auppelfenster, an der Westseite ist das- 
jenige des dritten Stockwerkes jedoch zugemauert, dasjenige des zweiten geht auf 
den Kirchenspeicher. An der Nord- und Südseite ist das mittlere Kuppelfenster 
aussen teilweise durch die Turmuhr verdeckt. Die Mittelsäule der Kuppelfenster 
hat eine atticierende Basis; am oberen Ende steht auf einem Wulst der weit aus- 
ladende Kämpfer, dessen Platte eine nach vorn und hinten gerichtete Auskehlung 
mit dem Wulst verbindet. Diese Auskehlung hat die Eigentümlichkeit, dass sie 
sich, wo sie an die Platte anstösst, in wulstartiger Weise aufrollt, eine Eigentüm- 
lichkeit, die wir auch an dem östlichen Kuppelfenster im Giebel des Chors der 
Andreaskirche in Worms und an der Bergkirche in Osthofen bemerken. An den Gesimsen 
der Seiten des obersten achteckigen Stockwerks, welche keine Fenster tragen, sind 
Fratzen angebracht ; eine ebensolche an der Nordseite am Fenster hinter dem Zifferblatt. 
Das Erdgeschoss des Turmes war in kühner Weise durch vier, jetzt ver- 
mauerte Bogenöffnungen mit einfachen Kämpfern durchbrochen, so dass derselbe 
nur auf den vier quadratischen Eckpfeilern ruhte. Jetzt wird die Verbindung mit 
dem Kirchenschiff und dem nördlichen Anbau nur durch Thüren vermittelt. Auch 
die Giebelmauer des Schiffes hat zu beiden Seiten des Turmes romanische Bogen- 
gehabt. Das Erdgeschoss des Turmes war in gotischer Zeit, wie als 
Oo 
öffnungen 
Konsolen dienende Köpfe, Rippenansätze in den Ecken und Mauerspuren beweisen, 
überwölbt worden. Der Anlage nach mögen die Anbauten noch in die romanische 
Zeit gehören; der nördliche hat jetzt eine spitzbogige Thüre, der südliche ein 
neuerbautes Spitzbogenfenster. Die Strebepfeiler am Turm rühren vielleicht aus 
der Zeit der in gotischer Zeit geschehenen Veränderungen her. 
Am 20. Juni 1877 wurde der Turm von einem kalten Blitzstrahl getroffen, 
der jedoch nur die Kuppel in nicht beträchtlicher Weise beschädigte. Die be- 
schädigten Stellen wurden mit Backsteinen ausgebessert. *) 
Das Pfarrhaus ist laut Inschrift an der Vorderthüre im Jahre 1752 erbaut 
und hat im Innern noch die Stuckdecken aus der Zeit seiner Entstehung. 
Auf dem ZAathaus wird noch das alte Strafinstrument der Geige aufbewahrt, 
auf welchem die Jahrzahl 1750 eingeschnitten ist. 
Unter den Privatbauten ist das sog. Dabelshaus, dem Philipp und Jakob Zang 
gehörig, das bemerkenswerteste. Es entstammt in der Anlage dem Anfang des 
17. Jahrhunderts, hat aber später namentlich durch Veränderung der Fenster ein 
anderes Ansehen erhalten. Ein Haus unweit der spitzbogigen Eingangsthüre zum 
ehemaligen Friedhof hat unter der Tünche alte Holzschnitzereien, an denen ein 
Walfisch auf einem Eckpfosten kenntlich ist. 
Von dem um die evangelische Kirche liegenden befestigten Friedhof ist noch 
das Thorhaus mit der spitzbogigen Thorfahrt (Fig. 21) erhalten. Der Bogen ist 
aus stattlichen Quadern gemauert; das Ganze eine nicht unbedeutende Anlage, die 
ja auch, da der ganz im Thal gelegene Ort natürliche Verteidigungsmittel nicht 
*) Aufnahme vom verstorbenen Berdell@ im Besitz des Geh, Oberbaurat Müller in Darmstadt. Ferner, 
Abbildungen in E. Gladbach’s Vorlegeblätter zur Baukonstruktionslehre. Zürich, 1868 bis 1870. 
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