Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

190 Ausftattung: Altar St. Barbara 
dazu vergleiche man auch das, was Haendcke im Repertorium für KunftwiffenfChaft 
Bd. XXV S. 89 ff. über Rauchmüllers Tätigkeit als Maler beibringt. 
Im Obergefchoß des öftlichen Kreuzgangflügels ift jest ein mächtiger Altarauffag 
aus Eichenholz wieder aufgeftellt, 6,43 m hoch und unten 4,10 m breit (Abb. 81). 
Bis vor wenigen Jahren lag er im Dommagazin (dem ehemaligen Kapitelfaale). Wie 
beim Laurentiusaltar macht das Ganze den Eindruck einer portalartigen Architektur: 
als feitliche Einfaffung zwei flache, bis zur Bafis kanellierte Pilafter mit korinthifie- 
rendem Kapitäl, darüber ein entfprechendes Gebälk, als Abfchluß ein Segmentgiebel 
mit verkröpftem Gefimfe; im Giebelfelde ein runder Laubkranz. Alles noch ganz in 
den Überlieferungen der Spätrenaiffance, aber fChon mit Anklängen an den Barock 
gemifcht, wie fich dies befonders in den ftark ausladenden Gefimfen und in der Be- 
handlung der Giebelarchitektur zeigt. Der Überlieferung nach — an ihr zu zweifeln, 
liegt bis jet kein Grund vor — ift diefer Aufbau der Reft des ehemaligen Altares der 
Barbarakapelle, in deffen Mittelfeld das Kruzifix Rauchmüllers angebracht war. Wirk- 
lich zeigt auch der obere Rand des Rahmens einen Einfchnitt, in den das Ende des 
Kreuzholzes eingelaffen gewefen fein kann. Ein Wappen ftheint nicht angebracht ge- 
wefen zu fein, wie [&hon Bourdon (f. oben) bemerkt; es laffen fich auch nirgends mehr 
Spuren der Befeftigung eines folchen entdecken. Der gemalte Leinwandhintergrund, 
den noch Schneider fah, ift jet fpurlos verföhwunden. Allerdings will zu Schneiders 
Angaben über die Architektur des Altares (f. oben) die vorhandene nicht recht ftiimmen; 
das mag aber wohl darin feinen Grund haben, daß Schneider in feinem Auffage über 
das Rauchmüllerfche Kruzifix (1892) den fchon 1868 abgebrochenen Altar aus dem 
Gedächtnis befchreibt. Mehr Bedenken erregt das uns infChriftlich überlieferte Jahr 
der Stiftung des Altares 1657 (f. oben Abb. 80) in Verbindung mit der ganzen Art 
feines Aufbaues. Diefe ftattliche Architektur mit ihrem auf wirkungsvolle Größe 
gehenden Zuge fteht dem Laurentiusaltare von der Leyens (1676, f. unten S.208 ff. und 
Tafel 41c)!) viel näher als dem ehemaligen Altare der Bonifatiuskapelle (errichtet nach 
1652; feine Refte ftehen jest in der fogenannten Kapitelftube, f. unten S. 200) und 
dem diefen ganz nahe verwandten Saulheimer Altar in der Kapelle XVI (errichtet 
zwifchen 1652 und 1668, f. Tafel 41b), bei denen uns noch die aus der Renaiffance über- 
kommene Vielgliedrigkeit des Aufbaues und die dadurch eingefchränkte Größen- 
wirkung begegnet. Betrachten wir aber die Einzelformen unferes Altares an Gebälk 
und Giebel, fo finden wir wieder eine nähere Verwandtfchaft mit den beiden zulett 
genannten Altären (vgl. die weitgeftellten kleinen Konfolen, die Verwendung des 
Eier- und Perlftabs). Ähnlich wie beim Saulheimer Altare fcheint auch hier auf dem 
Giebel eine Figur (hl. Barbara?) geftanden zu haben; die mit Blattwerk gefchmückte 
Konfole, die den aus dem Giebelgefimfe ausfpringenden Unterfag für den Sockel der 
Figur trug, ift noch vorhanden, während der Unterfat felbft ausgebrochen ift. 
Abgefehen von den Formen bieten aber auch an fich fchon die überlieferten An- 
gaben über die Entftehungszeit des Altares Schwierigkeiten für die zeitliche Feftfegung. 
Die oben erwähnte Widmungsinfthrift (Abb. 80) gibt das Jahr 1657 als Jahr der Er- 
richtung. Gudenus, deffen Angaben fich auf Aktenmaterial ftügen, fest den Altar 
um 1671 (f. oben). Nach Bourdon ftand unter dem Kruzifix die Jahreszahl 1659 (Gu- 
denus kennt fie nicht, er führt nur die Infchrift felbft an). Wie Schrohe aber a. O. nach- 
gewiefen hat, kann das Kruzifix erft 1669 oder 1670 gefertigt worden fein. Sind Altar 
1) Wenn wir annehmen, daß unfer Altarauffag in ähnlicher Weife fich auf der Menfa auf- 
baute, wie dies beim Laurentiusaltar der Fall ift, fo bekommen wir für beide Altäre auch 
annähernd die gleichen Größenverhältniffe. 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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