198 Ausftattung, Altäre: Baffenheimer Altar (St. Magnus)
ift die Geißelung; nach feinem Entwurf, aber wohl nicht ganz eigenhändig find die
anderen Stücke diefes Stils; von einem älteren Gehilfen, der felbftändig arbeitete und
im Stil des Naffauer Altars geübt war, ftammt das übrige.!) Damit habe ich auch [&hon
Stellung genommen zu der Vermutung Schrohes,?) die beiden Altäre (und noch einige
weitere Werke) möchten aus der Werkftatt des Meifters hervorgegangen fein, der das
Epitaph der Prinzeffin Maria in der Stadtkirche zu Darmftadt errichtete, nämlich des
Nikolaus Dickhart zu Mainz. Es läßt ich ja nicht leugnen, daß diefes Epitaph in Einzel-
heiten der Dekoration — auch der dekorativen Figuren — mit unferen beiden Altären
einigermaßen verwandt ift. Die Tugenden, die jubilierenden Engelchen, der Aufbau
der Seitenwangen, die Ohren oben neben (hinter) den Tugenden an dem Darmftädter
Denkmal laffen fich wohl mit den entfprechenden Stücken des Naffauer Altars ver-
gleichen, während der befondere Stil der Kartufchenrahmen dort (vgl. befonders das
Wappen oben) der Art des Baffenheimer Altars (Schriftkartufihe und Wappen) näher
fteht. Aber das alles ift Dekoration. Wenn nur die in Frage käme, ließen fich fchließ-
lich die drei Werke einer und derfelben Werkftatt zuweifen; die Unterfchiede der
Arbeit könnten dabei zeitlich oder durch den Wechfel der ausführenden Gehilfen be-
dingt fein. Allein wir haben uns ja eben überzeugt, daß die entfcheidenden Stücke
die Mittelteile der Altäre find. Und die haben, foweit vorhanden, nichts miteinander
gemein. In Darmftadt aber fehlt unglücklicherweife gerade die Mitteltafel ganz. So
wiffen wir über den Stil des Nikolaus Dickhart felber bis auf weiteres nichts. Und
wir können nur fagen, daß feine Werkftatt fich einer ähnlichen Dekorationskunft be-
fleißigte wie die Werkftätten, aus denen jene Altäre hervorgingen.
Über unferen (Baffenheimer) Altar find nur noch wenige Bemerkungen zu machen.
Bef[onders deutlich verwandt mit der Geißelung ift das Relief des Ecce Homo (links
unten). Kompofition und Typen bekunden die Zufammengehörigkeit. Aber die Arbeit
ift ftumpf. Ähnlich fteht es mit der Kreuzfchleppung. Hier ift die genaue Benutung
von Dürers Stich der drei Marktbauern (B. 89) anzumerken. Recht gut fcheinen die
Geftalten der Maria und des Johannes zu fein: die außerordentliche Höhe ihrer Auf-
ftellung erföhwert indeffen ein ficheres Urteil. Das Relief mit Gott Vater oben kommt
den Arbeiten im Stil der Dekoration des Naffauer Altars am nächften. Wie diefe teil-
weife in unmittelbarer Verbindung mit Stücken des erften Stils auftreten (Geißelung),
[o fheint überhaupt eine gegenfeitige Annäherung der Kräfte in der Werkftatt ftatt-
gefunden zu haben. Ganz allgemein find die Arbeiten der zweiten Gruppe derber
und weniger ftilkräftig als ihre Ahnen am Naffauer Altar, aber fie find doch gewiß
deren legitime Abkömmlinge. Eine Anpaffung an den Stil des Hauptmeifters glaube
ich im Gewand zu erkennen, das hie und da jenes knittrige Wefen zeigt. Aber der
Gefamteindruck wird davon wenig berührt. Wieder etwas abfeits ftehen die beiden
Engelchen mit den Leidenswerkzeugen oben: ihre Gefichter haben einen etwas andern
Schnitt, auch das Haar ift anders als z. B. bei den vier Cherubköpfen zu feiten der
Schrifttafel, die dem Dekorationsftil des Naffauer Altars näherkommen. Ein neues
Moment find auch die langen Hälfe der Engel oben an den Wangen des Auffages.
Zu keiner der Gruppen und folglich wohl überhaupt nicht zu unferem Altar gehört
die Figur des Petrus. Sie verrät eine gewiffe entfernte Verwandtfchaft mit jenen älteren
Werken der Kreuzfthleppung des Naffauer Altars und den dekorativen Figuren des
Denkmals des Kurfürften Daniel (f. unten Nr. 26), ift aber nicht desfelben Stils. Da
I) Das Ergebnis ift alfo ganz ähnlich wie beim Naffauer Altar: auch dort unterfchied fich
das Mittelftück von den mehr dekorativen übrigen Arbeiten.
?®) Auffäge und Nachweife S.2 ff.