Chorgeftühl
im Weftchor
224 Ausftattung: Chorgeftühl im Weftchor
Rokokoformen nach; fie gleichen fich im Ornamente und im Aufbau und ftammen
alle aus derfelben Fabrik (in Kapelle XIV, XVI und VIII. Auf den Beichtftuhl in der
Michaelskapelle (VIII) hat man in roher Vermittelung noch eine Bekrönung gefesßt,
die von einem anderen, älteren Beichtftuhl zu ftammen fCheint. Darauf fteht jett eine
Rokokovafe mit einem lorbeerbekränzten Cäfarenkopfe auf der Vorderfeite. Das
Stück ift eine gute alte Arbeit, gehörte aber urfprünglich nicht zu der aufgefegten
Bekrönung. Ebenfo ift der im Louis XVI-Stil ausgeführte Beichtftuhl in Kapelle V
eine neue Arbeit. Die anderen Mainzer Kirchen haben auf diefem Gebiete viel beffere
Stücke aufzuweifen.
Ein günftigerer Stern waltete über dem Chorgeftühl des Weftchors (Tafel 44
und 45; Abb. 86 HH), das, ohne allzu große Befchädigung zu erleiden, die Schreckens-
zeiten der franzöfifchen Herrfchaft überdauert hat, um leider im Laufe des 19. Jahr-
hunderts erft an feinem urfprünglichen Beftande eine empfindliche Einbuße zu erfahren.
Über die Entftehungsgefthichte diefes mächtigen Werkes handelt ausführlich Schrohe,
Auff. und Nachw. S. 14 ff. ; hier find auch die archivalifchen Quellen angegeben, die in
der Hauptfache die Protokolle des Domkapitels bilden. Eine eingehendere Befchreibung
gibt Neeb, Mainzer Journal 1910 Nr. 105, auch als Sonderabdruck erfChienen. Von
Originalriffen, Modellen oder ähnlichem hat fich nichts mehr erhalten. Die Anficht des
Zuftandes vor 1862 geben zwei Lithographien, die auf Taf. 44 wiedergegeben find; über
fie ift oben S. 15 fChon das Nötige bemerkt worden. Die eine gibt den Blick gegen
Often, die andere den gegen Südweften; die legtere zeigt befonders deutlich den einen
der jettt verföhwundenen öftlichen Abfchlüffe an den Vierungspfeilern (f. Schrohe a. O.
S. 27 f.). Die einzige bis jegt vorhandene Grundrißaufnahme findet fich auf dem oben
S. 3 befthriebenen älteren Grundriffe des Mittelfchiffes (fie ift unferer Abb. 84 zu-
grunde gelegt); aus ihr ift auch zu erfehen, daß man damals [&hon die [päter wirklich
vorgenommene Verkürzung der öftlichen Enden des Geftühles plante. Photographien,
auch Teilanfichten, von Völker.
Von dem älteren Chorgeftühl, das bei der Aufftellung des neuen befeitigt wurde,
hat fich nichts mehr erhalten. Die Art feiner Aufftellung erfieht man aus dem Dom-
grundriffe bei Gudenus (S. 4 Abb. 1), vgl. auch Schrohe a. O. S. 14f.
Bereits im Jahre 1750 lagen dem Domkapitel die Riffe für ein neues Chorgeftühl
vor; zur Ausführung kam jedoch vorerft das Projekt noch nicht. Im Jahre 1759 fordert
das Domkapitel nochmals neue Entwürfe ein. Unter den eingereichten entf&hied man
fich für den von dem Hoffchreiner Franz Anton Hermann verfertigten, der
auch die Genehmigung des Kurfürften erhielt. Hermann und feinem Sohne Ludwig
wurde die Ausführung übertragen. (Über Hermann [f. Schrohe a. O., Regifter unter
Hermann.) Zu den Koften fteuerten der Kurfürft Johann Friedrich Karl von Oftein
und die Mitglieder des Domkapitels, unter diefen befonders der damalige Dompropft
Hugo Franz Karl von Elt, größere Summen bei (f. Schrohe S. 15 ff. und S. 19). Im
Jahre 1760 ift Hermann bereits an der Arbeit, 1765 ift das Ganze vollendet und auf-
geftellt.!) Hermanns Forderung für feine Arbeit, einfchließlich der beiden Tabernakel
an den öftlichen Abfchlüffen, belief fich auf 11000 Gulden. Das Eichenholz hatte der
Kurfürft geftellt. Einen Anftrich hat das Geftühl nie bekommen. Im Jahre 1769 plante
man eine Vergoldung einzelner Teile, diefe fCheint aber nicht zur Ausführung gekommen
zu fein; noch heute zeigt das f£höne Eichenholz feine Naturfarbe. Während der Zeiten
der franzöfifchen Herrfchaft gingen Sig und Kniebank des erzbifthöflichen Thrones
!) Das Chronoftichon, das Werner, Dom I S. 306 mitteilt (f. unten S. 227), ergibt die Jahres-
zahl 1767. Sie bezieht fich vielleicht auf die Aufftellung des Martinusftandbildes.