Stil
240 Denkmäler: Erzbifchof Matthias
An jeder Ecke des Steins findet fich ein Wappen: zu Häupten des Erzbifchofs
zweimal Mainz, zu feinen Füßen zweimal Bucheck (in Gold drei rote Rofen, pfahl-
weife geftellt). Die Notiz von Bodmann, daß die Wappen urfprünglich aus Erz ge-
bildet gewefen feien und nun fehlen (handfthriftlich im Joannisexemplar der Stadt-
bibliothek), beruht offenbar auf einem Irrtum. Die Wappen find alt und aus einem
Stein mit dem Denkmal. Die Wappenfchilde erfcheinen hier nicht in der [päter üb-
lichen Weife parallel oder geneigt und wechfelnd einander gegenübergeftellt, fondern
folgen mit der jedesmal fthief nach rechts unten gerichteten Schildfpige der in der
linken oberen Ecke beginnenden Schrift oder vielmehr dem, der fie lefend um den
liegenden Grabftein herumging. Bei der heutigen Aufftellung weifen aljo auf der
rechten Seite die Wappenfchilde mit der Spige nach oben.
Die Platte hat urfprünglich, gleich den vorigen, gelegen, das beweifen der reich profi-
lierte Rahmen (Profil f. Abb. 87 c; beachte auch das reiche Weinlaub-Ornament), die
umlaufende Infchrift, die Stellung der Wappenfchilde und das Kiffen. Aber man [pürt,
wie die fich feftigende Architektur der Umrahmung immer ftärker diefer Art der Auf-
ftellung widerfpricht.
Dem Rahmenfyftem liegt der gleiche Typus zugrunde wie bei der Aichfpalt-Platte.
Nur find hier die Säulchen, die den Spitsbogen tragen, von dem äußeren Rahmen ab
etwas nach innen geföhoben. So werden zwifchen Rahmen und Säulchen flach vertiefte
Streifen fichtbar, die mit Konfolen, Figürchen, Baldachinen, Fialen gefüllt find. Zum
erftenmale treten damit die Seitenfigürchen auf den Plan, die fortan in der Mainzer
Grabmalplaftik eine große Rolle fpielen. Hier find es die Heiligen Benedikt (links
oben), Katharina (links unten), Georg oder Morit (rechts oben) und Klara.
Der Spitzbogen ift hier mit Zacken oder Nafen befett (zum erftenmale!), und oben in
den Zwickeln knieen Engel, die Weihrauchfäffer [&hwingen. Diefe fehlen heute freilich.
Allein die Hände find durchbohrt: vielleicht waren Ketten und Fäßchen aus Metall.
Innerhalb des Bogens ift die Platte abermals vertieft. So ift Raum gewonnen für
eine etwas ftärkere Plaftik. Dies kommt der Figur fofort wohltuend zugute. Schon
das Stehen ift anders als beim Aichfpalt: das rechte Bein ift etwas zurückgefett, das
linke Knie ganz leicht — bezeichnenderweife mehr nach innen als nach vorn — ge-
bogen. Eine noch immer nur wenig wahrnehmbare Schweifung der Figur gibt ihr
gegenüber dem Aichfpalt etwas Eleganteres. Die Gewandfthichten liegen zwar noch
immer recht flach übereinander insbefondere gilt das von der Gewandung der
beiden weiblichen Nebenfiguren —, immerhin kommt nun Bewegung in die Flächen,
und auch das Relief wird wieder etwas ftärker. In der Anordnung kündigt fich jenes
Aufhängen aller Faltenzüge an einem Punkt unterhalb einer Achfel (hier der rechten)
an, das für die Mitte des Jahrhunderts fo bezeichnend wird; aber die Falten verlaufen
noch ftarr, find von dem neuen Gefühl für weichen Schwung noch nicht völlig erfaßt.
Auch der Kopf zeigt eine Behandlung, die nur wenige Schritte über das hinausgeht,
was wir von den Köpfen des Aichfpalt-Denkmals zu fagen hatten: die Teile des Ge-
fichtes find weniger gegeneinander abgefett, Furchen und Grübchen nicht fo tief. Alles
einigt fich in einem zufammenhängenden Flächenfyftem. Und es zeigt fich, daß diefe
Oberflächen in Hebung und Senkung allmählich lebendiger, fleiföhiger werden. Das
Gefühl für den organifchen Bau, die Struktur des Kopfes ift erlofchen: jett beginnt
eineneue Belebung der übriggebliebenen tektonifchen Maffe von den Oberflächen aus.
Von charakteriftifchen Einzelheiten präge man fich befonders die Bildung der Augen
ein: die Partie zwifchen dem äußeren Augenbogen und dem oberen Lid ift breit und
flach föhräg vertieft; der Augapfel quillt vor; das untere Lid ift emporgezogen und